Life- Space Interview

Das Life-Space Interview ist eine erzieherische Gesprächsform, die der psychoanalytische Pädagoge Fritz Redl in der Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA entwickelt hat. Mit der Methode werden alltägliche Konflikte mit dissozialen Jugendlichen aufgearbeitet. Redl setzte die Methode in seinem Pioneer-House in Detroit um, wo er in einem Heim mit stark verhaltensauffälligen Jugendlichen gearbeitet hat.

1. Ziele

Das Life-Space-Interview hat das Ziel, bestimmte konflikthafte Ereignisse aus dem Alltag zu reflektiere. Daraus ergeben sich konkrete Erziehungsziele, die im weiteren Verlauf bearbeitet werden können. Die Jugendlichen haben oft trostlose und traumatisierende Lebensverhältnisse verinnerlicht und schützen sich durch ihre negativen und aggressiven Verhaltensweisen. Laut Redl kommt so das falsche Selbst der Jugendlichen zum Vorschein und das wirkliche Selbst wird geschützt. Durch das Life-Space-Interview soll das wirkliche Selbst erreicht und aktiviert werden, damit es neue prosoziale Verhaltensweisen zum Vorschein bringen kann.

2. So geht das

Im Alltag von Familien und Wohngruppen entstehen häufig Konflikte. Diese Alltagskonflikte werden zeitnah mit dem Jugendlichen in einem situationsbezogenen Gespräch aufgearbeitet. Bei der Methode des Life-Space Interviews gibt es zwei Formen. In der „Phase des Beruhigens“ wird das Gespräch mit dem/ der Jugendlichen gesucht und ihm wird sein Fehlverhalten klar gemacht. Im weiteren Verlauf werden Anpassungstechniken und Handlungsalternativen aufgezeigt. Der/ die Jugendliche rekonstruiert die Situation gemeinsam mit der Fachkraft (siehe Beispiel). Bei der „emotionalen Ersten Hilfe“ wird durch mitfühlendes und verständniszeigendes Eingreifen verhindert, dass sich der Hass des Kindes weiter verstärkt. Die Nähe der Bezugsperson ist eine notwendige Hilfe fürs Kind, um es bei der Bewältigung verschiedener Kontrollverluste, wie zum Beispiel einem Wutausbruch zu unterstützen, ohne dass es Schuldgefühle haben muss. Durch emotionale Soforthilfe kann das Kind wieder zu seinem alten Gefühlszustand zurückgebracht werden und Gefühle von panischer Angst, Wut und Schuldgefühle überwinden.

3. Beispiel

Direktor: Nun Bill, es tut mir leid, zu hören, dass du heute während des Unterrichts nach Hause geschickt werden musstest. Wie kam das?  

Bill: Dieser verdammte Lehrer – was fällt dem bloß ein, mich herumzuschubsen, mich auf meinen Stuhl zu drücken und so.

Direktor: Was hat er mit dir gemacht?

Bill: Ach, er kam auf mich zu, packte mich und warf mich raus auf den Gang.

Direktor: Warum hat er das getan?

Bill: Woher soll ich denn wissen, warum er das getan hat?

Direktor: Was ich meine, ist: Hatte er einen Grund dafür, sich dir gegenüber so zu verhalten?

Bill: Zum Teufel, natürlich nicht.

Direktor: Es fällt mir schwer, zu verstehen, warum dein Lehrer ganz plötzlich einfach so auf dich zukommt, dich packt und dich aus der Klasse wirft.

Bill: Er hat’s eben getan.

Direktor: Bill, ich sage nicht, dass er es nicht getan hat. Was ich herauszufinden versuche, ist, ob er irgendeinen Grund dafür gehabt hat. Fällt dir irgendwas ein, das zur gleichen Zeit geschehen ist und das alles erklären könnte?

Bill: Nein.

Direktor: Schau Bill, es macht einfach keinen Sinn, dass dein Lehrer dir das aus heiterem Himmel antut. Irgendetwas muss passiert sein.

Bill: Dieser verdammte Joe (ein Kind aus der Klasse) fing an, an meinen Schulsachen herumzumachen. Ich sagte ihm gerade, er soll verschwinden, und da kam der Lehrer auf mich zu und zieht mich raus auf den Gang.

Direktor: Ist das alles, was passiert ist?

Bill: Ja.

Direktor: Ging Joe weg, als du es ihm sagtest?

Bill: Was?

Direktor: Hat Joe deine Sachen in Ruhe gelassen, nachdem du ihn dazu aufgefordert hattest?

Bill: Zum Teufel, nein. Deshalb habe ich ihn geschubst, und er kam trotzdem zurück. Dann habe ich ihm eine in die Fresse gehauen, und er fing an zu heulen.

Direktor: Und was geschah dann?

Bill: Der Lehrer kam her und sagte, ich soll damit aufhören. Er sagte, ich soll mich hinsetzen.

Direktor: Hast Du’s getan?

Bill: Ich sagte, ich würde nicht zulassen, dass dieser blöde Joe an meinen Sachen rummacht, und der Lehrer sagte, ich soll mich hinsetzen.

Direktor: Hast du’s getan?

Bill: Was getan?

Direktor: Dich hingesetzt.

Bill: Ja.

4. Fragen, Anpassungsmöglichkeiten und Kritik

Bevor ein Life-Space Interview durchgeführt werden kann, muss die Fachkraft den/ die Jugendliche*n genau kennen, um erkennen zu können, was diese*r gerade für eine Hilfe benötigt. Zu der Methode des Life-Space Interviews sollte niemand gezwungen werden, weil das Ziel nur erreicht werden kann, wenn beide Parteien aktiv an dem Gespräch teilnehmen.

Bitte diskutieren Sie:

– Wie agieren wir zurzeit in Konfliktsituationen? Welche Arten von Gesprächen sind in Konfliktsituationen hilfreich und was geht meistens schief?

– In welchen Situationen können wir in unserer Einrichtung das Life-Space Interview integrieren? Wie könnte es ablaufen und was braucht es dazu?

5. Material/ Links

Fritz Redl: Erziehung schwieriger Kinder. Piper-Verlag, München 1978. Kapitel: „Das Life-Space Interview“

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