Kinder bestrafen?

1. Beschreibung der Herausforderung

Für Bestrafungen von Kindern sprechen sich immer weniger Fachleute und Eltern aus, seitdem vor allem die Psychoanalyse und die Kinderpsychologie im 20. Jahrhundert immer wieder herausgestellt haben, dass Strafen bei Kindern erhebliche seelische Schäden und Schuldgefühle hervorrufen können. Körperliche Strafen sind mittlerweile sogar gesetzlich verboten und man könnte meinen, dass sich das Thema bald erledigt haben müsste.
Neuere Studien zeigen jedoch, dass Strafen sowohl in Familien als auch in der Kinder- und Jugendhilfe nach wie vor weit verbreitet sind. In den Erziehungshilfen wird zwar eher von ‚Konsequenzen‘ oder ‚Sanktionen‘ gesprochen, die verhängt werden, um die Gültigkeit der von Kindern und Jugendlichen gebrochenen Vereinbarungen und Regeln zu untermauern, doch sind dies wirklich keine Bestrafungen?

2. Unterschiedliche fachliche Argumente / Bedenken

In der kritischen Erziehungs- und Sozialarbeitswissenschaft wird darauf hingewiesen, dass in allen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe von einer ‚neuen Punitivität‘ gesprochen werden muss. Darunter werden eine wachsende Straforientierung, Strafbereitschaft und Straflust der Fachkräfte zusammengefasst. Das beginnt mit Praktiken der Fixierung in Kitas (Essenslätzchen unter den Teller klemmen) und endet mit dem Aussetzen von Jugendlichen im Wald in der Heimerziehung – die Jugendlichen werden mit einem Bulli dahin gebracht und müssen dann zu Fuß zur Wohngruppe zurück laufen, um unterwegs über ihre Verfehlung nachzudenken.

Der Ruf nach ‚neuer Autorität‘, der in Medien und Beratungsliteratur für Eltern seit einigen Jahren wieder zunimmt, fordert auch von Eltern „konsequent“ zu erziehen und die Literatur empfiehlt diesbezüglich besonders die Anwendung sog. ‚natürlicher und logischer Konsequenzen‘. Dabei wird darauf geachtet, dass eine Sanktion-Konsequenz-Strafe auch zur ‚Tat‘ des Kindes passt. Z.B. wird empfohlen, dass Kinder, die ihre Hausaufgaben nicht machen, dann am nächsten Tag doppelt so lange in ihrem Zimmer bleiben müssen, um das Versäumte nachzuarbeiten.

Wie immer man das sog. ‚konsequente‘ Handeln auch nennt; aus der Sicht des Kindes ist es oft ungerecht und wird als Strafe empfunden. Das Kind ist frustriert und wütend, es fühlt sich nicht verstanden. Wenn sein Ich nicht stark genug ist, kann es diese Gefühle nicht in Wut auf sich selber und Selbstreflexion hinüberführen und bleibt bei der Wut gegen den/die ‚Bestrafer*in‘ stehen.

3. Fragen zum Weiterdenken

  • Sind Strafen-Sanktionen-Konsequenzen angesichts einer hundertjährigen kritischen Forschung überhaupt noch zu rechtfertigen?
  • Sind sie überhaupt notwendig?
  • Können die sog. ‚natürlichen und logischen Konsequenzen‘ einen Ausweg aus dem Problem anbieten, dass man in der Erziehung nicht alles durchgehen lassen kann aber Strafen ablehnt?
  • Haben Sie selbst als Kind oder Jugendlicher aus Strafen-Sanktionen-Konsequenzen lernen können oder können Sie von Beispielen aus der Praxis der Jugendhilfe berichten, wo solches Lernen gelingt?
  • Wie kann es gelingen, dass Strafen-Sanktionen-Konsequenzen ein Kind nicht mit Schuldgefühlen überfluten?
  • Wie kann es gelingen, dass Frustration und Wut in Selbstreflexion umgewandelt werden und die Energie positiv transformiert wird?
  • Gerade in manchen anderen Kulturen sind Strafen noch selbstverständlicher. Welche Art von Strafen-Sanktionen-Konsequenzen lehnen Sie komplett ab? Wie begründen Sie gegenüber Eltern Ihre Ablehnung?

4. Material/ Links

Gottfried Duhme: Gemeinsam erziehen in Elternhaus und Grundschule. 2015 Online verfügbar unter https://www.westfalen-initiative.de/wp-content/uploads/RZ_GEEG_Lehrer.pdf

Fritz Redl: Erziehung schwieriger Kinder München 1971

Unicef Deutschland u.a (Hg.): Gewalt gegen Kinder. Körperstrafen in der Erziehung. Online verfügbar unter https://www.unicef.de/blob/230562/314ffe70bc27976f06b46014339c2f0e/1911-studie-gewalt-data.pdf

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