Fritz Redl

Fritz Redl (1902- 1988), Reformpädagoge und Kinderpsychoanalytiker, lebte ursprünglich in Wien und war ein Schüler Freuds. Er emigrierte im Jahr 1936 in die USA und gründete 1946 das Erziehungsheim Pioneer House in Detroit, in dem er sein pädagogisch-therapeutisches Konzept umsetzen konnte.

Wichtige Ansätze

Fritz Redl arbeitete mit sehr stark verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen, die eine emotionale und soziale Störung aufwiesen. Heute werden diese Kinder als ‚Systemsprenger‘ bezeichnet.  Diese Kinder konnten weder mit den üblichen Erziehungsmaßnahmen noch mit einer Therapie erreicht werden. Redl orientiert sich in seinem Verständnis am Freud´schen Persönlichkeitsmodell aus Triebsystem (Es), Gewissen (Über-Ich) und dem Ich, das er um die Annahme eines Ideal-Ichs ergänzte. Er unterteilt die Ich-Funktionen in vier Bereiche, kognitive Funktion, Machtfunktion, Auswahlfunktion und synthetische Funktion. Fritz Redl geht davon aus, dass diese Funktionen bei bestimmten verhaltensauffälligen Kindern gestört sind.

Durch sein Konzept der ‚Milieutherapie‘ sollen diese Ich-Störungen behoben werden. In diesem Konzept schrieb Redl sieben für ihn wichtige Ansätze zusammen, die er mit dem Adjektiv ‚therapeutisch‘ verbindet. So achtete er bspw. darauf, die Grundbedürfnisse der Kinder unbedingt zu befriedigen und für sie schädliche Einflüsse zu vermeiden. Des Weiteren beinhaltet das Konzept zwölf Aspekte, die Redl unter dem Wort ‚Milieu‘ versteht. Dazu zählt für Fritz Redl zum Beispiel, dass jede Gruppe Rituale, Gewohnheiten und Verhaltensregeln besitzt und eine vertrauensvolle Umgebung für die Kinder und Jugendlichen geschaffen werden muss.

Redls Konzept wurde nicht nur in Therapiestunden umgesetzt, sondern in den Alltag der Kinder und Jugendlichen integriert. Neben dem Konzept entwickelte Redl 18 verschiedene Techniken, mit deren Hilfe das Verhalten der Kinder und Jugendlichen gesteuert und so Konflikte bearbeitet werden konnten. Dabei kommt es bei der Ausführung der Methoden laut Redl immer darauf an, die Ich-Stärke des Kindes zu fördern. Da die therapeutische Arbeit im Alltag der Kinder und Jugendlichen geschah, entwickelte Redl Ideen und Techniken, um alle möglichen Alltagskonflikte so zu bearbeiten, dass das schwache Ich gestärkt wird. Hier werden drei Techniken erläutert, die Fritz Redl in seinem Erziehungsheim angewendet hat:

 – Kontrolle durch Nähe und Körperkontakt
Wenn ein Kind auffälliges Verhalten zeigt und aggressiv ist, kann die Nähe des Erwachsenen helfen, dass sich das Kind wieder beruhigt. Die Nähe des Erwachsenen kann die Ich- Stärke des Kindes wieder aktivieren und sein Verhalten kann sich somit verändern. Auch Körperkontakt kann als Unterstützung dienen. Hier kann es helfen, das Kind aus der Situation zu holen, indem man seine Hand auf die Schulter des Kindes legt oder seine Hand hält.

 – Entschärfung von Spannung durch Humor
Auch durch Humor von Seiten des Erwachsenen lassen sich Wutausbrüche verhindern. Der Erwachsene bringt so zum Ausdruck, dass ihn das Verhalten des Kindes oder des Jugendlichen nicht verletzt oder sauer macht. Gerade, wenn das Ziel des Jugendlichen war, wütend auf den Erwachsenen zu sein, ist Humor eine gute Lösung. Es lenkt den Jugendlichen von den negativen Gefühlen ab. Hier ist es wichtig, Humor nicht mit Sarkasmus und Ironie zu verwechseln, denn das kann Wutausbrüche verstärken.

 – Hilfestellung zur Überwindung von Hindernissen
Wutausbrüche geschehen oft auch, da Jugendliche es nicht schaffen, Hindernisse im Leben zu überwinden und Probleme zu lösen und somit nicht an ihr Ziel gelangen. Dann sind die Jugendlichen frustriert und werden sauer. Deswegen ist es laut Redl wichtig, den Jugendlichen Hilfestellungen zu geben, damit die Probleme und Hindernisse bewältigt werden können und die Frustration abgebaut werden kann. Hier ist darauf zu achten, dass die Jugendlichen mitentscheiden dürfen und den Jugendlichen lediglich Hilfestellungen gegeben werden und nicht alles abgenommen wird.

Nachdem Redl seine Ansätze 1946 im Pioneer House, einem Erziehungsheim in Detroit, anwenden durfte und dort dauerhaft mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen zusammenwohnte, konnte er sein Konzept 1953 weiterentwickeln, als er beauftragt wurde, in Bethesda in einem psychiatrischen Krankenhaus eine Kinderstation aufzubauen.

Nachdenken über Erziehung mit Redl

 „Kinder, die hassen, werden rasch zu Kindern, die keiner will!“

Das Verhalten von Kindern und Jugendlichen, die hassen, ist oft überfordernd für Eltern und Erziehungsberechtigte. Sie sind oft wütend, haben Wutausbrüche, machen Gegenstände kaputt oder sind gewalttätig Anderen gegenüber. Aus diesem Grund ist das Zusammenleben mit ihnen schwierig und häufig in Tagesgruppen oder Regelgruppen der Jugendhilfe nicht mehr möglich. Bis heute ist es für die Jugendhilfe schwierig, solche Kinder in geeigneten Settings (z.B. kleine Gruppen mit hohen Personalschlüssel und besonders qualifizierten Fachkräften) zu erziehen.

„Auf dem Erzieher lastet also wirklich von den frühsten Lebensjahren des Kindes an die Aufgabe, an die Stelle von Ich-Funktionen zu treten, die noch nicht entwickelt sind, und dem Kind aktive Unterstützung zu geben.“

Fritz Redl geht davon aus, dass Kinder, die verhaltensauffällig sind, häufig eine Ich-Störung haben. Kinder werden nicht mit einem vollentwickelten Selbstkontrollmechanismus geboren. Sie entwickeln diesen und die verschiedenen Ich-Funktionen bei einer gesunden psychischen Entwicklung im Laufe der Jahre. Somit liegt es in der Verantwortung von Eltern, Erzieher* innen, Lehrer* innen und anderen Fachkräften, das Kind im Laufe der Jahre in seiner Ich-Findung zu unterstützen, damit es keine Ich-Störung entwickelt. Die von Redl entwickelte Milieutherapie erinnert in vielen Aspekten an die heutige Traumapädagogik. Allerdings lohnt es sich, die Bücher von Redl wieder zu lesen, weil viele seiner praktischen Ideen heute wieder völlig unbekannt sind.

Weiterführende Literatur

Die Website bei Wikipedia gibt erste Informationen:
 https://de.wikipedia.org/wiki/Fritz_Redl

Bücher von Fritz Redl in deutscher Sprache:

  • Erziehung schwieriger Kinder: Beiträge zu einer psychotherapeutisch orientierten Pädagogik (Fritz Redl, 1971)
  • Steuerung des aggressiven Verhaltens beim Kind (Fritz Redl, David Winemann, 1976)
  • Erziehungsprobleme, Erziehungsprobleme: Aufsätze (Fritz Redl, 1978)
  • Kinder, die hassen: Auflösung und Zusammenbruch der Selbstkontrolle (Fritz Redl, David Winemann, 1979)
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