Partizipation im Hilfeprozess

  1. Ziele der Methode

Partizipation ist im Hilfeprozess in der Kinder- und Jugendhilfe ein fest verankertes Prinzip, welches notwendig ist, um den Erfolg der Hilfe zu sichern. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz wird Partizipation u.a. durch die Paragrafen 8, 9 und 36 vorgeschrieben. Mitwirkung, Mitbestimmung und Teilhabe von Kindern, Jugendlichen und Eltern bedarf einer partizipativen Grundhaltung der Fachkräfte.  

Partizipation hat zum Ziel, dass Kinder- und Jugendliche an der Ausgestaltung ihres Alltags und ihrer Lebensräume und den darin zu treffenden Entscheidungen aktiv teilhaben können. Sie sollen als ernstzunehmende Expert*innen für ihre eigene Lebenswelt wahrgenommen und behandelt werden. Die Auswahl und Gestaltung der Hilfe nach den individuellen Bedürfnissen der Klient*innen auszurichten, ist vor allem im Hilfeplanprozess durch Partizipation möglich. Partizipation hat außerdem zum Ziel, die Machtasymmetrie zwischen Fachkräften und Klient*innen zu mildern. Hinzu kommt, dass Entscheidungen, Vereinbarungen, Regeln und alles weitere, das im Hilfeprozess geklärt werden muss, nur wirklich nachhaltig funktionieren kann, wenn Klient*innen nicht nur einverstanden, sondern auch beteiligt worden sind.

  1. So geht das

Partizipation im Hilfeprozess beginnt ganz am Anfang, weit vor der Aufnahme eines Kindes in eine Tages- oder Wohngruppe. Kinder, Jugendliche und Eltern werden schon bei der Problemkonstruktion und der Entwicklung einer angemessenen Hilfeform durch das Jugendamt beteiligt. In der Tages- oder Wohngruppe beginnt die Partizipation bereits vor der Aufnahme, indem gemeinsam besprochen wird, wie die Hilfe einen guten Anfang nimmt. Im Folgenden bleibt Partizipation im Alltag der Hilfen eine tägliche Herausforderung und sie endet erst mit dem Abschied aus der Wohngruppe.

Partizipation kann in verschiedenen Settings auf unterschiedliche Weise stattfinden. Jedes Kind, jede/r Jugendliche und alle Eltern sind individuell und altersangemessen zu beteiligen. Auch kollektive Formen der Partizipation (Gruppengespräche, Elterntreffs, …) sind zwingend erforderlich, damit die Anliegen der Adressat*innen wirklich im Mittelpunkt der Hilfe stehen. Die Voraussetzungen für Partizipation sind vor allem Informationen und Transparenz. Kinder, Jugendliche und Eltern müssen ihre Rechte und Beteiligungsmöglichkeiten kennen, um sie auch einfordern zu können.

Besonderer Bedeutung in Bezug auf Partizipation ist dem Hilfeplanprozess zuzuschreiben, da hier über Ziele und die Weiterführung der Hilfe gesprochen und verhandelt wird. Um in diesem Gespräch ausreichende Partizipation der Kinder und Jugendlichen gewährleisten zu können, bedarf es einer guten Vorbereitung. Diese Vorbereitung kann auch mit den betroffenen Eltern stattfinden, allerdings ist aufgrund der Machtasymmetrie und einer häufig konfliktreichen Lage ein besonderes Augenmerk auf die Kinder zu richten.

Generell sind vorbereitende Gespräche auf das Hilfeplangespräch wichtig, um in vertrauter Atmosphäre über aktuelle Probleme, Wünsche, Erfolge und Ziele zu sprechen, welche schriftlich festgehalten werden müssen. Durch ein vorbereitendes Gespräch kann Klient*innen Sicherheit gegeben werden, so dass sie im Hilfeplangespräch, an dem häufig viele verschiedene Personen beteiligt sind, aktiv am Gespräch teilhaben können. Bei Kindern und Jugendlichen ist es im Vorfeld meist sinnvoll, ergänzend zu Gesprächen auch kreative Methoden zu nutzen, wie Rollenspiele mit Figuren und Puppen oder Malen.

Im Hilfeplangespräch ist es wichtig, den Kindern und Jugendlichen, sowie den Erziehungsberechtigten genügend Raum zu bieten, ihre Meinung zum Ausdruck zu bringen. Hierfür kann es in bestimmten Situationen hilfreich sein, für eine gewisse Zeit einzelne Personen vom Gespräch auszuschließen. Eine einfache Sprache ohne viele Fachbegriffe, sollte gegeben sein, um größtmögliche Transparenz zu gewährleisten. Auch die Atmosphäre und Gestaltung des Raumes ist nicht zu vernachlässigen. Es ist wichtig, dass sich alle Beteiligten wohlfühlen und jeder Schritt, jede Entscheidung ohne Hektik besprochen wird. Partizipation kann behindert werden, wenn Klient*innen das Gefühl haben, dass Fachkräfte es eilig haben und sich nicht genügend Zeit nehmen. Die Fachkraft hat die Aufgabe, das Hilfeplangespräch zu moderieren und die Kommunikation zwischen den Beteiligten zu fördern. Es muss stets die Machtasymmetrie im Hinblick auf Partizipation sowohl zwischen Fachkräften und Klient*innen, sowie zwischen Kindern und Erziehungsberechtigten reflektiert werden.

  1. Beispiel

Um von Kindern und Jugendlichen im Hilfeplangespräch eine Einschätzung der aktuellen Situation und Befindlichkeiten zu erhalten, kann man mit einem „Ausmalbild“ arbeiten, welches verschiedene Bereiche des Lebens der Klient*innen abbildet. Diese Bereiche werden dann von den Klient*innen in entsprechenden Farben, die die aktuelle Gefühlslage wiedergeben, ausgemalt. Wie viele Bereiche man aufmalt und ob man Fragen hinzufügt, kann vom Alter und Entwicklungsstand der Kinder abhängig gemacht werden.

  1. Fragen, Anpassungsmöglichkeiten und Kritik

Um Partizipation zu ermöglichen, gibt es unterschiedliche Methoden, die gemäß dem Alter/Entwicklungsstand, der Situation bzw. dem Anlass sorgfältig ausgewählt werden sollten. Es ist eine große Herausforderung, geeignete Formen kollektiver Partizipation in Tages- und Wohngruppen zu entwickeln, damit Gruppengespräche tatsächlich als lebendige Foren der Mitbestimmung erlebt werden. Allzu häufig werden diese Orte von den Erwachsenen entweder als lästige Pflicht begriffen oder mit erzieherischen Ideen überfrachtet. Wenn die Anliegen und Interessen der Kinder und Jugendlichen nicht im Mittelpunkt solcher Runden stehen, werden Partizipationschancen leichtfertig verspielt.

Besonders schwierig ist die Sicherstellung der Partizipation von Eltern im Hilfeprozess. Zu Beginn einer Hilfe stehen bei Eltern häufig Gefühle von Scham, Trauer und Verzweiflung im Mittelpunkt. Ihnen fehlen das Wissen, das Selbstbewusstsein und die innere Zustimmung zur Hilfe. Kein Wunder, dass sie selten aktiv nach Partizipationsangeboten fragen und sich wenig aktiv in der Zusammenarbeit zeigen. Die Entwicklung von Partizipationsangeboten und die Förderung von Partizipationsprozessen von Eltern sind aktuell eine große Herausforderung in den Hilfen zur Erziehung.

Festzuhalten ist insgesamt, dass Partizipation eine grundlegende Orientierung im gesamten Hilfeprozess sein sollte. Alle Akteure haben von Anfang an das Recht auf Partizipation und sind darauf angewiesen, zur Nutzung ihrer Beteiligungschancen entsprechend ermutigt zu werden.

5. Material/ Links 

Partizipation im Kontext erzieherischer Hilfen – Anspruch und Wirklichkeit. Eine empirische Studie. (2007); Liane Pluto; München: DJI Verlag

Qualität durch Beteiligung in der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII. Ergebnisse und Anregungen aus einem Modellprojekt durchgeführt in Kooperation mit den Jugendämtern Siegen und Paderborn und dem Verein Kinder haben Rechte e.V.; Landschaftsverband Westfalen Lippe (1999-2002)

Links zu weiteren Karten:

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