Dialoge mit Kindern

1. Beschreibung der Herausforderung

Jeden Tag führen wir Gespräche mit Kindern – und damit können wir die Welt für sie öffnen oder verschließen. Es ist immer wieder eine Herausforderung, sich als Erwachsene/r so auszudrücken, dass das Kind versteht, was ich von ihm möchte. Genauso ist es für uns als Erwachsene immer wieder eine Herausforderung, zu verstehen, was Kinder uns sagen wollen. Der Dialog mit Kindern ist eine besondere Gesprächsform, die darauf abzielt, gemeinsam die Welt und das Gegenüber zu verstehen. Das griechische Wort ‚dia-logos‘ bedeutet übersetzt ins Deutsche ‚Fluss aus Sinn‘. Das bedeutet, dass der Dialog sich dadurch auszeichnet, dass die Meinungen, Einstellungen und Argumente der Gesprächspartner*innen ins Fließen kommen und Neues entsteht. Das ist eine Kunst, die auf die griechischen Philosophen Platon und Sokrates zurückgeführt wird!

Konkret bedeutet es, dass wir im Dialog darauf verzichten, das Gespräch zielorientiert zu führen, also etwas Konkretes erreichen zu wollen. Wir brauchen Offenheit und Verständnis – und auf der anderen Seite muss das Kind lernen, ebenfalls Verständnis aufzubringen und von seinen Absichten zunächst abzusehen. Beim Dialog mit Kindern müssen viele Aspekte berücksichtigt werden, damit eine funktionierende, wertschätzende Kommunikation stattfinden kann. Oft werden diese Aspekte vernachlässigt oder vergessen, weil man nicht genügend Zeit hat.

Die Dialogtheoretiker Hartkemeyer & Hartkemeyer beschreiben in Ihrem Standardwerk „Miteinander denken. Das Geheimnis des Dialogs“ zehn Kernfähigkeiten, die bedeutsam für das Gelingen von Dialogen sind. Die wichtigsten davon sind:

  • Die Haltung eines Lernenden verkörpern – d.h. im Gespräch mit Kindern selber dazulernen zu wollen
  • Radikale Offenheit und Respekt zu zeigen – das Gegenüber ist vielleicht ganz anders als ich und gerade das ist in unserem Gespräch wichtig
  • Von Herzen sprechen und die eigenen Gefühle nicht übersehen
  • Das Gespräch immer wieder verlangsamen und eigene Annahmen suspendieren – also davon ausgehen, dass ich mit meinen Ideen völlig falsch liegen kann

Auch das Alter und der Entwicklungsstand muss bei Dialogen mit Kindern beachtet werden. Die Sprache muss individuell und kindgerecht gewählt werden und das Gespräch darf nicht zu lange dauern, da die Aufmerksamkeitsspanne von Kindern eingeschränkt ist.

2. Unterschiedliche fachliche Argumente / Bedenken

Grundlegend ist es wichtig, mit dem Kind auf Augenhöhe zu kommunizieren. Das bedeutet, dass man sich wortwörtlich auf Augenhöhe des Kindes begibt und sich hinhockt. Das Kind und der/ die Erwachsene können sich in die Augen schauen. Dass zeigt, dass die Erwachsenen sich nicht über das Kind stellen und keine höhere Position als das Kind besitzen. So fühlt sich das Kind ernst genommen.

Wenn die Erwachsenen abgelenkt sind und nicht die ganze Aufmerksamkeit auf dem Gespräch mit dem Kind liegt, kann der Dialog nicht gelingen. Es kann dann passieren, dass das Kind sich unwichtig fühlt und nicht mehr zu den Erwachsenen geht, wenn es etwas auf dem Herzen hat. Das heißt, dass die Pädagog*innen sich Zeit für das Gespräch nehmen und aktiv zuhören müssen, damit das Kind sich wertgeschätzt und ernst genommen fühlen kann. Um sicher zu sein, das Kind richtig verstanden zu haben, hilft es, das Gesagte noch einmal zu wiederholen und als Frage zu formulieren.

Um in ein Gespräch mit Kindern zu kommen, ist es gut, wenn man nicht nur Ja und Nein Fragen stellt, sondern auf offene Fragen zurückgreift. Dadurch gibt man dem Kind Anreize, etwas Eigenes zu erzählen. Fragen können sein: Was hast du heute gemacht? Wer war mit dir alles im Schwimmbad? Warum warst du traurig am Wochenende? Wenn ein Kind etwas fragt und der/die Erwachsene mit dem Kind ins Gespräch kommen möchte, kann es helfen, zuerst zu fragen, was das Kind denkt und ihm danach die eigene Antwort zu sagen. Das Kind erfährt Selbstwirksamkeit und wird selbstbewusst.

Oft hat das Kind ein emotionales Bedürfnis, wenn es zu einer/einem Erwachsenen kommt, um mit ihm/ihr zu reden. Hier ist es wichtig, die Gefühle des Kindes zu benennen und ernst zu nehmen. Das Kind verinnerlicht, dass es wichtig ist, seine Gefühle zu zeigen und zu sagen, wie es sich fühlt.

Mit einer großen Gruppe einen Dialog zu führen, kann auch eine tolle Sache sein. Gemeinsam kann man z.B. das dialektische Denken und Sprechen über widersprüchliche Themen ausprobieren, z.B. sich fragen, ob man Essen stehlen darf, wenn man Hunger hat. Damit bei diesen Gesprächen ein gemeinsamer Resonanzraum – ein ‚Dialog-Container‘ (Bohm) entstehen kann, kann es helfen, einen Redestein zu nutzen. Dabei gilt, nur wer den Redestein in der Hand hält, darf sprechen. So ist es leise und alle können einander zuhören und die kreativen Einfälle aus der Gruppe würdigen.

3. Fragen zum Weiterdenken

  • Auf welche Aspekte achten wir, wenn wir mit Kindern kommunizieren? Wollen wir eher die Dinge schnell klären oder gehen wir offen, respektvoll und lernend in Gespräche mit Kindern? Erinnern wir uns an gelingende Dialoge mit Kindern?
  • Wie kann man sicher gehen, dass man das Kind und seine Bedürfnisse richtig verstanden hat? Welche Kommunikationsmethoden, wie z.B. aktives Zuhören wenden wir dazu in unserer Einrichtung an?
  • Geben wir den Kindern genug Raum, über eigene Themen zu sprechen oder beharren wir zu sehr auf unseren Themen? Nutzen wir Bilderbücher, Geschichten und kreative Gestaltungsmöglichkeiten, um Einfälle der Kinder hervorzurufen, die Gegenstand von Dialogen werden können?

4. Material/ Links

Martina und Johannes Hartkemeyer / Freeman Dhority: Miteinander Denken. Das Geheimnis des Dialogs. Stuttgart (Klett-Cotta) 1998

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