Gewaltfreie Kommunikation (GfK)

‚Gewaltfreie Kommunikation‘ ist eine bewährte Kommunikations- und Konfliktlösungsstrategie, die vom US-amerikanischen Psychologen Marshall B. Rosenberg entwickelt wurde und einen wertschätzenden zwischenmenschlichen Umgang zum Ziel hat. ‚Gewaltfrei‘ bedeutet dabei, dass es im verbalen Austausch zu keiner Form von Verletzung oder Abwertung des Gegenübers kommen soll, wodurch sich die Kooperationsbereitschaft der Gesprächspartner*innen erhöht und somit die Chancen zunehmen, effektive und nachhaltige Problemlösungen zu entwickeln. Da sie den Gegenentwurf zu einer lebensentfremdenden Kommunikation darstellt, wird sie auch als Sprache des Lebens bezeichnet.

1. Ziele der Methode

Die Gewaltfreie Kommunikation verfolgt als Kommunikationsstrategie das große Ziel des friedlichen Austauschs auf verbaler Ebene zwischen mindestens zwei Gesprächspartner*innen. Sie verfolgt das Ziel, dass man gleichwertig mit den Gesprächspartner*innen umgeht und dadurch alle Bedürfnisse berücksichtigt werden können. Das respektvolle Kommunizieren auf Augenhöhe ist ein weiteres Ziel. Durch Gewaltfreie Kommunikation sollen alte Muster von Verteidigung, Rückzug und Angriff (z.B. aggressive Reaktionen) aufgelöst oder zumindest reduziert werden.

Die Gewaltfreie Kommunikation fördert die Wertschätzung und Aufmerksamkeit für den/die Gesprächspartner*in. Das eigene Einfühlungsvermögen wird gefördert und man nimmt die Bedürfnisse des Gegenübers besser wahr. Konflikte werden konstruktiv, sorgfältig und langfristig geklärt. Der Streit läuft faktenorientiert und fair ab und nicht emotional. Man entwickelt dadurch Problemlösungen, die für beide Parteien gewinnbringend sind. Des Weiteren kann man seine eigenen Bedürfnisse ausdrücken, ohne das Gegenüber anzugreifen.

Eine weitere Fähigkeit, die man dadurch lernt, ist dass man eine Bitte formulieren und auf Drohungen, Manipulationen oder Erpressung verzichten kann. Auch in Beziehungen kann die Gewaltfreie Kommunikation gewinnbringend sein, da man lernen kann, besser mit Ärger in der Beziehung umzugehen. Man lernt auch, Vorwürfe und Kritik nicht so persönlich zu nehmen und dadurch entwickelt sich eventuell ein souveränes und ruhiges Auftreten.

2. So geht das

Die vier Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation basiert auf 4 Schritten, mit der eine Person einen verbalen Angriff durch eine andere Person in einer Konfliktsituation entschärfen kann.

Das Vier-Schritte-Modell der Gewaltfreien Kommunikation dient dazu, eine konfliktgeladene Situation zu beobachten und sachlich und empathisch zu beschreiben. Es geht darum, die eigene Sichtweise und die des Gegenübers wahrzunehmen, als gleichwertig zu akzeptieren und die Gefühle/Bedürfnisse dahinter zu kommunizieren und sie bei der Problemlösung mit zu berücksichtigen. Darin liegt das Wesen der Gewaltfreien Kommunikation.

  • Beobachtung des anderen ohne Bewertung: Was nimmst Du wahr und siehst, hörst, empfindest Du?

Der erste Schritt in der Gewaltfreien Kommunikation ist, den/die Gesprächspartner*in genau zu beobachten und ohne Wertung wahrzunehmen – also zu hören, zu sehen, zu empfinden – was diese*r in einer konkreten Situation gesagt hat. Dieser Vorgang ist völlig neutral und basiert auf Fakten – ohne eine Wertung, Analyse oder Interpretation vorzunehmen.

  • Gefühl: Wie geht es Dir mit dem, was Du hörst, siehst, wahrnimmst?

Die aufmerksame und empathische Beobachtung einer konfliktgeladenen Gesprächssituation führt unmittelbar zu den Gefühlen der Beteiligten. Es gilt herauszufinden und verbal zu äußern, wie sich Angreifende und Angegriffene mit dem Gesagten fühlen.

  • Bedürfnis: Welches Bedürfnis kommt zu kurz und was kann getan werden, um es zu erfüllen?

Das Feststellen der Gefühle führt die Gesprächspartner*innen zum nächsten Schritt in der Gewaltfreien Kommunikation: den verborgenen Bedürfnissen dahinter. Hat man das entsprechende Gefühl bei dem/der Gesprächspartner*in ausfindig gemacht, führt das laut Rosenberg ganz schnell zum sehr oft unbewussten, nicht artikulierten menschlichen Bedürfnis, das hinter dem Gefühl steht. Denn hinter der Wut oder dem Ärger verbergen sich in der Regel unerfüllte Bedürfnisse.

  • Eine Bitte auf Grundlage des Bedürfnisses formulieren, um es zu erfüllen und den Konflikt zu lösen:

Die Bitte ist der vierte Schritt in der Gewaltfreien Kommunikation. Damit meint man jedoch nicht eine konkrete Forderung, die mit „bitte“ verschleiert wird, wie: „Bringst du bitte den Müll hinaus?“, sondern die einfühlsame Formulierung eines Anliegens wie „Ist es für dich okay, den Müll hinauszubringen?“. Indem eine Bitte gewaltfrei kommuniziert wird, berücksichtigt man die Bedürfnisse des/der Anderen, wodurch der Respekt und die Wertschätzung für den/die Gesprächspartner*in zum Ausdruck gebracht werden.

3. Beispiel

Ein Kind sitzt und spielt, das Mittagessen steht auf dem Tisch, der Erwachsene ruft das Kind zum Essen. Es kommt der eindeutige Ruf „Nein“ zurück. Da steht der Erwachsene nun und kann sich in einen ‚Wolf‘ verwandeln und Gehorsam einfordern; er kann es aber auch sein lassen, das Kind ignorieren und spielen lassen … es wird schon von allein kommen. Beides ist nicht im Sinne von GfK. Sowohl der Erwachsene als auch das Kind haben ein zugrunde liegendes Bedürfnis: Das Kind will spielen, der Erwachsene in Gemeinschaft mit allen essen. Ein achtsamer Erwachsener gesellt sich kurz zum Kind, sodass sie auf Augenhöhe sind. Den Blick lässt er nur freundlich auf dem Kind ruhen und spürt seine gute Beziehung zum Kind. Dann kann er seine Frage an das Kind richten, die Frage nach dem Bedürfnis des Kindes, also z.B.: „Du möchtest spielen?“ Das Kind wird wohl mit Ja antworten. Er kann weiter fragen: „Du bist gerade mittendrin im Spiel und möchtest nicht unterbrechen?“ Es folgt wahrscheinlich wieder ein Ja.

Genau hier ist die Stelle, wo oftmals eine gewisse Ratlosigkeit einsetzt: Wie kann man nun das Kind überzeugen, dass es teilnimmt am gemeinschaftlichen Essen, wenn doch das Spiel sehr viel wichtiger ist? Was nun tun, wenn ein Kind nicht möchte? GfK schaut sich das Spiel genauer an, benennt es. Das Kind wird antworten, ob man richtig oder falsch liegt. Wenn man richtig liegt, kann man die kleinen Abschnitte im Spiel benennen, die eine Pause zulassen. Das Kind erfährt so, dass es sehr genau wahrgenommen wird in dem, was es tut; es empfindet dies als Wertschätzung. Und der/die Fragende begibt sich tatsächlich auf diesen Weg und schätzt das Spiel des Kindes ein und wert.

Anschließend kann sich der Erwachsene selbst thematisieren gegenüber dem Kind: Er kann sein Bedürfnis formulieren und dem Kind sagen, dass er mit allen Kindern gemeinsam essen möchte – auch mit ihm. Es ist ihm wichtig, dass genau dieses wunderbare Kind auch dabei ist. Hier spürt das Kind, dass es um eine emotionale Annahme seiner Person geht, und hört nicht mehr nur die Aufforderung, das Spiel zu unterbrechen. Und der Erwachsene kann vorschlagen, dass das Kind später sein Spiel weiterführen kann.

4. Fragen, Anpassungsmöglichkeiten und Kritik

Gewaltfreie Kommunikation wird durch Kommunikationsbarrieren erschwert z.B. bei Flüchtlingskindern durch die Sprache und die Kultur oder bei anderen Kindern durch die Sozialisation und gewaltförmige Kommunikation.

Wie reagiert man, wenn das Gegenüber nicht auf eigene Bedürfnisse und Bitten eingeht und trotzdem aggressiv oder gewalttätig wird, z.B. da sie/er sich nicht richtig ausdrücken kann?       

Wie kann es gelingen, dass es nicht ‚komisch rüberkommt‘, wenn jemand nach Gefühlen und Bedürfnissen fragt oder ihr/sein Anliegen als Bitte formuliert?

5. Material / Links

Marshall B. Rosenberg (2016) Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens. Paderborn (Junfermann)

Marshall B. Rosenberg (2014) Konflikte lösen durch Gewaltfreie Kommunikation: Ein Gespräch mit Gabriele Seils. Freiburg (Herder)

Links zu weiteren Karten:

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