Vertrauen zu Kindern

1. Beschreibung der Herausforderung

Vertrauen ist die Basis für die Bindung und Beziehung der Kinder zu ihren Eltern, zu Fachkräften und für die gesamte Entwicklung. Kinder wissen eigentlich am besten, was sie brauchen. Jedes in seinem eigenen und individuellen Tempo. Und wenn ihnen Vertrauen geschenkt wird, lernen sie wiederum, sich selbst zu vertrauen. Doch wie setzt man das am besten um? Wie geht das, Kindern zu vertrauen?

Viele Menschen verstehen Kinder als kleine, niedliche, wilde und hilflose Wesen. Kinder sind für Eltern und Fachkräfte häufig jemand, um den sie sich kümmern müssen. Nicht primär jemand, dem sie vertrauen sollen. Denn vielen fällt es nicht leicht, Kindern zu vertrauen – aus verschiedenen Gründen. Der Hauptgrund ist vermutlich die Sorge um das Kind. Sorge darum, dass wenn das Kind nicht genügend kontrolliert wird, etwas Schlimmes mit ihm passieren könnte, es sich nicht richtig entwickelt.

Eltern und Fachkräfte wollen meistens nur das Beste für ein Kind, sie wollen ihm alles geben, alles zeigen und alles lehren. Sie wollen immer für das Kind da sein und helfen, wo sie können. Sie wollen es beschützen und ihr Leben so einfach und erträglich machen wie nur möglich. Aber in diesen Bemühungen merken viele nicht, dass sie den Kindern viele wichtige Erfahrungen nehmen. Eltern sollten ihren Kindern mehr vertrauen und ihnen die Möglichkeit geben, eigene Entscheidungen treffen zu können. Kinder sind zu mehr fähig, als wir möglicherweise verstehen können.

Allerdings kann es wirklich sehr schwierig sein, eine gute Vertrauensbasis aufzubauen. Besonders in Wohn- und Tagesgruppen kann es schwierig sein, eine gute Vertrauensbasis aufzubauen, da Kind und Fachkraft sich zu Beginn nicht kennen, aber trotzdem ein Vertrauensvorschuss für eine gelungene Erziehung gegeben werden muss. Dies wird auch Vertrauensantinomie genannt.

2. Unterschiedliche fachliche Argumente / Bedenken

Nur wenn Eltern und Fachkräfte Kindern vertrauen, lernen Kinder das Konzept ‚Vertrauen‘ kennen. Wenn ihnen vertraut wird, lernen sie wiederum sich selbst zu vertrauen. Ansonsten kontrolliert man sie zu sehr. Den Kindern einen Vertrauensvorschuss zu geben, ist aber nicht dasselbe wie Weggucken. Auch wenn es von außen so aussehen kann.

Man muss Vertrauen darauf haben, dass die Natur des Kindes sich entfalten möchte und das Kind sich gut entwickeln wird. Dies schenkt dem Kind tiefe Sicherheit und die Möglichkeit das eigene Potenzial kennenzulernen. Ein paar verständliche Regeln bieten meist genügend Orientierung im Alltag. Ansonsten braucht man Vertrauen. Und falls das Kind sich selbst mal in eine gefährliche Situation begibt, darf man keinesfalls die Angst um das Kind auf das Kind selbst übertragen. Kinder gehen in der Regel nur solche Herausforderungen ein, die sie sich selbst auch zutrauen.

Daher sollte man das Kind beim Spielen und Herumtoben beobachten, anstatt ängstlich zu rufen: „Pass auf!“ In solch einem Moment konzentriert sich das Kind auf die Worte und nicht mehr auf die Tätigkeit. Genau dann passiert meistens ein Unfall. Falls ein Kind bei einer Tätigkeit wirklich noch Probleme haben sollte, dann suchen Sie nach Möglichkeiten, wie das Kind dies mit Ihrer Unterstützung schaffen kann.

Jedes Kind braucht die Rückmeldung seiner Bezugspersonen, die signalisieren: „Ich glaube an dich. Ich sehe, dass du das kannst. Ich sehe deine Fortschritte. Mach weiter so!“ Vertrauen Sie auf Ihre Kinder und trauen Sie ihnen etwas zu! Denn dann wächst in ihnen der Mut, die eigenen Kräfte auszuprobieren. Ihre Kinder bekommen Vertrauen in sich selbst und meistern so selbst schwierige Situationen eigenständig.

Vertrauen kann am einfachsten sehr früh in der kindlichen Entwicklung aufgebaut werden. Die Modelle von Freud und Erikson und die Bindungstheorie machen deutlich, dass es sehr schwer ist, später in Beziehungen Vertrauen aufzubauen, wenn man es als kleines Kind nicht lernen konnte. Nun haben Sie es in der Arbeit mit Kindern in Tages- und Wohngruppen recht häufig mit Kindern zu tun, die keine stabile Vertrauensbasis zu ihren primären Bezugspersonen aufbauen konnten. Diese Kinder testen häufig aus, ob sie Ihnen trauen können und dies auch gegenseitig der Fall ist. Insofern kann man sicher festhalten, dass Erziehung von Kindern in Wohn- und Tagesgruppen gegenseitiges Vertrauen nicht voraussetzen kann sondern häufig erst entwickeln muss – eine schwierige, aber unverzichtbare Aufgabe.

3. Fragen zum Weiterdenken

  • Denken Sie zunächst einmal an sich selbst: Haben Sie schon mal eine Situation erlebt, in der Ihnen volles Vertrauen geschenkt wurde? Wie haben sie sich dabei gefühlt?
  • Falls Sie eigene Kinder haben: Vertrauen Sie ihnen? Was können Sie verbessern?
  • In welchen Situationen sollten Sie Kindern nicht vertrauen? Aus welchen Gründen?
  • Wie können Sie professionell Vertrauen zu Kindern aufbauen, ohne naiv oder leichtsinnig zu sein? Gibt es in Ihrer Wohn- oder Tagesgruppe dazu ein Konzept oder eine gemeinsame Idee?
  • Wie können Sie Eltern unterstützen, Vertrauen zu Ihren Kindern (wieder) aufzubauen, wenn es in der Vergangenheit enttäuscht wurde oder niemals ohne Ambivalenzen entwickelt werden konnte?

4. Material/ Links

Buch zum Thema der Vertrauensantinomie: „Professionalität und Professionalisierung pädagogischen Handelns“ von Werner Helsper (Kapitel 5.6 und 5.7). Verlag Barbara Budrich 2020

https://magazin.sofatutor.com/eltern/eltern-zwischen-vertrauen-und-kontrolle/

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