Beteiligung im Haushalt

1. Beschreibung der Herausforderung

Grundsätzlich ist es in allen Familien unterschiedlich, ob und wie oft die Kinder mithelfen sollen im Haushalt. Entsprechend sind die Kinder es mehr oder weniger gewohnt und finden es auch in Tages- oder Wohngruppen normal oder unnötig. 

Kinder machen gerade die regelmäßigen Pflichtarbeiten im Haushalt nur selten gerne, da sie auf Dauer oft wenig aufregend sind und nicht selten mühevoll und mit Anstrengung verbunden sind. Insofern machen sie nicht immer Spaß, aber trotzdem sollen die Kinder dazu motiviert werden, sie zuverlässig zu erledigen. Dient die regelmäßige Mitarbeit vor allem dem Erlernen von Verantwortungsübernahme, so fördert die Mitarbeit im Haushalt auch alltagspraktische Kompetenzen und die Fähigkeit zur selbständigen Haushaltsführung. In einigen haushaltspraktischen Arbeiten (Kochen, Heimwerken, Basteln, Schneidern …) geht es nicht nur um die Bewältigung von notwendigen Pflichten sondern um die Bewältigung anspruchsvoller Herausforderungen, die Entwicklung von individuellen und überdurchschnittlichen Kompetenzen und teilweise um Qualifizierungen, die auch spätere berufliche Erfolge unterstützen können.

Unterschiedlich anspruchsvolle Aufgaben sind notwendig, angesichts unterschiedlicher Entwicklungsstände der Kinder. Zugleich können Aufgaben, die für jüngere Kinder anspruchsvoll sind, für ältere Kinder (zu) einfach wirken. Ein Ungerechtigkeitsgefühl kann entstehen, wenn alle Kinder die gleichen Aufgaben bewältigen müssen, sie aber unterschiedlich lange dafür brauchen. Ebenso kann es als ungerecht bewertet werden, wenn die älteren Kinder aufwendigere Aufgaben erledigen müssen, als die jüngeren.

Fachkräfte in Wohngruppen und Eltern tappen häufig in die Falle, die Hausarbeit eben selbst zu erledigen, statt die Kinder zu beteiligen. Die Arbeit selber zu machen, geht bisweilen schneller, als sie lange zu erklären, beizubringen und mit den Kindern zu diskutieren. Nicht immer verfügen Erwachsene über die notwendige Geduld, um den Kindern die Aufgaben nicht abzunehmen und sie selbst machen zu lassen.

2. Unterschiedliche fachliche Argumente / Bedenken

Wenn Kinder an den anfallenden Arbeiten im Haushalt oder einer Tages-/Wohngruppe beteiligt werden und die Erwachsenen dadurch auch entlasten, lernen sie frühzeitig, dass sie ein wichtiger Teil der Gemeinschaft sind. Aus der Individualpsychologie wissen wir um die Bedeutung des Gemeinschaftsgefühls für eine gesunde ICH-Entwicklung und die Bereitschaft von Kindern, sich auf erzieherische Anforderungen (Regeln einhalten, Bedürfnisse zurückzustellen, …) einzulassen.

Es gibt jedoch Situationen, in denen Fachkräfte empfehlen, Kindern Zeit zu lassen, bevor sie an regelhaften Arbeiten und Diensten beteiligt werden. Dies gilt z.B. unmittelbar nach der Aufnahme oder in Krisen. Tatsächlich sollten Kinder erfahren, dass das Leben in einer Gemeinschaft ohne Mitarbeit und Zusammenarbeit nicht gelingen kann, dass diese Gemeinschaft aber auch in der Lage ist, auf besondere Bedürfnisse einzelner Mitglieder einzugehen und Ausnahmen zu ermöglichen.

Das frühzeitige Lernen von Selbstständigkeit ist eine der bedeutsamsten Aufgaben der Jugendhilfe. Gerade für Kinder, die in ihren Familien wenig Anerkennung erfahren, kann die Tages- oder Wohngruppe ein offener, freier Raum sein, in dem man sich entfalten kann. Dazu sind allerdings die Dienste und ‚Ämter‘ in den Gruppen oft wenig geeignet, wenn man lediglich Routinearbeiten und Hilfsdienste erledigen muss, bei denen sich weder Ruhm noch Ehre erwerben lassen. Selbständigkeit lässt sich am besten in Freiheit erwerben und das bedeutet, dass es bei den Haushaltsarbeiten Freiräume zum Experimentieren geben sollte und Chancen, sich auf ungewöhnliche Herausforderungen einzulassen, die man dann bewältigen kann.

Die Idee der Arbeit ist für Erwachsene ebenso ambivalent wie für Kinder. Ohne Arbeit wäre die Welt langweilig, ohne Struktur und ohne Herausforderungen. Trotzdem haben wir alle gerne einmal frei, jammern über die Menge der Arbeit und die fehlenden Freiheiten. Wenn Kinder über die Arbeit im Haushalt lamentieren und jammern (‚Ich kann das nicht‘, ‚Warum schon wieder ich?‘ …) sollten die Erwachsenen dies entspannt als völlig normal hinnehmen und überlegen, wie sie diese Konflikte betrachten und bearbeiten – am besten mit den Kindern gemeinsam.

3. Fragen zum Weiterdenken

Zunächst können wir uns an unsere eigenen Erfahrungen als Kinder – und teilweise auch als Eltern – erinnern und uns darüber austauschen, wie wir an der Hausarbeit beteiligt waren oder heute Kinder beteiligen. Was gelingt gut und macht Mut und was sind die größten Probleme, die wir erlebt haben?

Bei der Hausarbeit gilt sicher besonders, dass die Erwachsenen als Vorbilder bedeutsam sind. Wie also kann man es schaffen, dass die Fachkräfte in der Tages- oder Wohngruppe sich selbst mit Freude in die Hausarbeit einbringen und sich gegenseitig für ihr Engagement Anerkennung zollen? Wie können auch die Fachkräfte diesbezüglich aus Routinen ausbrechen und ihre besonderen Talente und Leidenschaften in die Bewältigung der Hausarbeiten der Wohngruppe einbringen?

Weiterhin können wir überlegen, wie es gelingen kann, Kinder von Anfang an bei der Hausarbeit zu beteiligen. Gerade kleine Kinder ‚kommen uns entgegen‘, wollen schon groß sein und anderen helfen. Wie also kann es gelingen, diese positiven Motivationen aufzugreifen und zu festigen?

Wie kann es in Wohngruppen gelingen, das schlechte Image der Ämter und Dienste loszuwerden und Aufgaben so zu gestalten, dass klar wird, hier geschehen wichtige Dinge: man kann lernen und gestalten, helfen und anerkannt werden, selbständig werden und Meister*in seines/ihres Fachs werden?

Wie kann man Konflikte rund um die Mitarbeit im Haushalt erfolgreich bearbeiten? Kann die Gruppe bzw. das Gruppengespräch dabei genutzt werden?

Werden Dienste und Aufgaben als Strafe (Sanktionierung) genutzt? Muss das so sein?

4. Lösungsvorschläge

Kinder können in Familien und Gruppen schon früh am Haushalt beteiligt werden. Die Hausarbeit sollte möglichst gemeinsam mit den Kindern erledigt werden, um sie angemessen zu unterstützen, wenn sie Hilfe brauchen und um die gemeinsame Arbeit als wertschätzende Beziehungsgestaltung zu erleben. Es spricht auch nichts dagegen, Kinder zu motivieren, indem man ihnen z.B. sagt: „Wenn du mir beim Abwaschen hilfst, geht es schneller, dann können wir danach zusammen noch etwas spielen.“

Hausarbeit ist vielfältig gestaltbar – und das sollte man mit den Kindern gemeinsam tun. So können Haushaltspläne gemeinsam erstellt und wieder verändert werden. Gerechtigkeit kann gemeinsam definiert und mit Freiheits- und Abweichungsbedürfnissen (‚Extrawürsten‘) balancierend in den Plänen berücksichtigt werden. Unbeliebte Aufgaben können abwechselnd wahrgenommen oder schöngefärbt, d.h. verändert werden.

Das pädagogische Vorbild für die Arbeitserziehung in der Wohngruppenpädagogik war der sowjetische Pädagoge Anton S. Makarenko. Wie kein Zweiter verstand er es, die gemeinsame Arbeit als Grundlage des Zusammenlebens zu betrachten. Gute Arbeit verleiht dem Leben Sinn, gemeinschaftliche Arbeit ermöglicht der Gruppe Erfolgserlebnisse und wirtschaftliche Erfolge (z.B. durch den Verkauf gemeinsam gebackenen Kuchens) ermöglichen kollektive Erlebnisse.

5. Material / Links

  • Beispiele für die praktische Umsetzung partizipativer Ansätze bietet eine Handreichung der Diakonie:

https://www.dachstiftung-diakonie.de/gesellschaften/diakonische-jugend-und-familienhilfe-kaestorf/wir-ueber-uns/unsere-ansaetze/partizipation/

  • Qualitätsstandards für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend):

https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94118/c49d4097174e67464b56a5365bc8602f/kindergerechtes-deutschland-broschuere-qualitaetsstandards-data.pdf

Links zu weiteren Karten:

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