Sechs Schritte der Konfliktlösung
Ursprünglich entwickelte der Psychologe Thomas Gordon das Modell im Kontext der Familienberatung. Er stellte fest, dass bei Konflikten oder Schwierigkeiten mit Kindern häufig die Eltern beschuldigt und angeprangert wurden. Aus diesem Grund hielt er es für sinnvoll, die Eltern in Gesprächsführung und Konfliktlösung zu schulen.
1. Ziele
Die Methode ‚Sechs Schritte der Konfliktlösung‘ verfolgt – wie ihr Name schon sagt – das Ziel, einen Konflikt möglichst für alle Beteiligten zufriedenstellend zu lösen. Gordon stellte fest, dass gelingende Konfliktlösungen meistens nach einem bestimmten Muster ablaufen, unabhängig davon, um was für ein Problem es sich dabei handelt. Dieses Muster fasste er in sechs Schritten der Konfliktlösung zusammen. In diesem Prozess sollen die Bedürfnisse aller Beteiligten zufrieden gestellt werden. Daher ist Gordons Methode auch als die „Keiner-verliert-Methode“ bekannt.
Die Methode ist darauf angelegt, dass die Kommunikation zwischen Gesprächspartner*innen verbessert wird. Die Beteiligten sollen befähigt werden, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Oftmals stellen sich in der Kommunikation Muster heraus, die zu einer nicht zielführenden oder auch nicht förderlichen Kommunikationsform führen. Diese Muster nennt man Kommunikationssperren. Durch Gordons Methode sollen eben diese Sperren aufgelöst werden, sodass die Gesprächspartner*innen zielgerichtet eine Lösung für das vorliegende Problem erarbeiten können.
2. So geht das
Die sechs Schritte der Konfliktlösung nach Gordon lauten:
Schritt 1: Identifizierung und Definition des Problems
Ein Problem besteht dann, wenn Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Diese müssen erkannt und herausgestellt werden.
Schritt 2: Alternative Lösungen entwickeln
Sobald die Bedürfnisse deutlich gemacht und herausgearbeitet wurden, wird ein Brainstorming durchgeführt, um möglichst viele Lösungsvorschläge aufzutun.
Schritt 3: Einschätzung der alternativen Lösungen
Die Lösungsvorschläge werden bewertet. Was gibt es für Vor- und Nachteile? Wenn ein Vorschlag zu viele Nachteile hat oder zu viele Beteiligte gegen sie stimmen, wird er aussortiert. Weiter geht es, wenn nur noch einer oder wenige Vorschläge übrig sind.
Schritt 4: Entscheidungen treffen
In der Entscheidung wird nicht abgestimmt, da es dabei potentielle Verlierer*innen gibt. Die Entscheidung muss zwar nicht für jeden optimal sein, doch es sollte zumindest einen Versuch geben, für alle einen Kompromiss zu finden.
Sollte es im Gespräch zu keiner Lösung kommen, müssen entweder bei Schritt eins das Problem / die Bedürfnisse genauer bestimmt werden oder bei Schritt zwei erneut nach Alternativen gesucht werden.
Schritt 5: Die Entscheidung durchführen
Die Durchführung wird geplant und Aufgaben werden verteilt. Ab dieser Stelle sollte es keine Diskussionen mehr geben, sondern nur noch entsprechend der getroffenen Vereinbarung gehandelt werden.
Schritt 6: Spätere Überprüfung
Bei manchen Lösungen ist klar, dass sie funktioniert haben und sie müssen nicht nachträglich neu bewertet werden. Bei komplexeren Konflikten oder Problemen ergibt es jedoch Sinn, nach einiger Zeit eine Überprüfung und Bewertung der Lösung vorzunehmen. Hat sie funktioniert? Was hat nicht daran geklappt? Was müsste anders laufen?
3. Beispiel
Situation: In der Familie herrscht eine ungerechte Aufteilung von Haushaltsdiensten. Die Mutter der Familie hat trotz ihres Berufes einen sehr hohen Anteil und möchte nun, dass sich alle Familienmitglieder am Problemlösungsprozess beteiligen.
Schritt 1: „Ich finde es nicht gerecht, wenn ich genauso viel Hausarbeit erledige wie in der Zeit, bevor ich die neue Stelle angetreten habe. Ich möchte, dass wir darüber eine Entscheidung treffen, wie wir die Hausarbeit gerechter verteilen. Ich möchte damit anfangen, dass wir alles aufschreiben, was hier erledigt werden muss.“
Schritt 2: „Suchen wir zuerst Aufgaben heraus, die wir gern erledigen. Wie kann man bestimmte Aufgaben miteinander kombinieren? Zum Beispiel Abendessen kochen und hinterher wieder aufräumen.“
Schritt 3: „Ich finde es nicht fair, wenn ich mich um die Reparaturarbeiten beider Autos kümmern soll.“ Oder „Das Gießen der Pflanzen dauert nicht so lange wie Einkaufen.“ Oder „Das Aufräumen nach dem Abendessen sollte auch heißen, dass man Küche und Esszimmer fegt.“ Oder „Wer räumt denn nach dem Frühstück auf?“ Schließlich ist die Familie in der Lage, die Entscheidungen festzulegen. Der Vater führt darüber Protokoll und fragt: „Hatten wir das so beschlossen?“
Schritt 4: Die letzten schwierigen Details der Durchführung werden geklärt. „Wie bald nach dem Essen soll das Geschirr in die Spülmaschine?“, „Was ist, wenn wir auswärts essen?“
Schritt 5: „Wie stellen wir fest, ob unsere Entscheidungen gut waren und ob sie klappen?“
Schritt 6: Die Familie kommt darüber überein, den getroffenen Entscheidungen eine Probezeit von mehreren Wochen zu geben. Wenn jemand eine Klage hat oder Pflichten wechseln möchte, kann eine Versammlung einberufen werden.
4. Fragen, Anpassungsmöglichkeiten und Kritik
Die Methode der ‚Sechs Schritte zur Konfliktlösung‘ ist dazu gedacht, Konflikte auf einer Ebene und ohne Machtausübung lösen zu können. Dabei wird außer Acht gelassen, dass meistens ein natürliches Machtgefälle zwischen Personen besteht. Aus diesem Grund, könnten beim vierten Schritt der Methode – dem Treffen einer Entscheidung – Schwierigkeiten auftreten, da die Beteiligten die Entscheidung aushandeln sollten, ohne darüber abzustimmen. Die im Machtgefälle höher angesiedelte Person hat höchstwahrscheinlich eine größere Chance, ihre Meinung durchzusetzen.
Wir fragen uns daher:
- Wie kann man Machtausübung in der Konfliktbearbeitung vorbeugen?
- In welchen Situationen und Kontexten ist die Methode praktikabel und in welchen eher nicht?
- Ist die Methode mit Kindern durchführbar? Woran muss man denken?
5. Material / Links
Thomas Gordon: Die neue Familienkonferenz. Kinder erziehen ohne zu strafen. München (Heyne) 2014
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