Kinder entwickeln sich

1. Beschreibung der Herausforderung

‚Entwicklung‘ ist ein weiter und auf verschiedenste Arten zu verstehender Begriff. Der Begriff der ‚normalen Kindesentwicklung‘ sollte eher vermieden werden, denn Kindesentwicklung läuft sehr individuell ab.

Im Gegensatz zu den meisten Tieren ist der menschliche Säugling nach der Geburt nicht alleine lebensfähig. Nur mit der Unterstützung der Eltern, Liebe und Zuneigung entwickelt das Kind sich langsam, wächst heran und passt sich mit fortschreitendem Alter immer mehr an die Gesellschaft an. Neben Liebe und Zuneigung braucht das Kind jedoch auch noch weitere Hilfen, um sich ‘angemessen‘ zu entwickeln. Zum Beispiel müssen ihm die Regeln, Normen und Werte der Gesellschaft nahegebracht, ihm müssen Handlungsmuster und Strategien beigebracht werden

Viele Pädagog*innen gehen davon aus, dass der Mensch zu bestimmten Zeitpunkten seines Lebens bestimmte Entwicklungsaufgaben zu bewältigen hat. Wird eine Entwicklungsaufgabe mit Schwierigkeiten oder auch gar nicht überwunden, so ist es der Person auch im weiteren Verlauf erschwert bis unmöglich, die folgenden Aufgaben gut zu bewältigen. Ein Modell der menschlichen Entwicklung wurde auf der Basis der Modelle von Freud und Erikson von Klaus Hurrelmann entwickelt:

 


Wie in der Graphik zu sehen ist, unterteilt Hurrelmann das Leben eines Menschen in drei Phasen – das Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter. In jeder Phase gilt es, verschiedene Entwicklungsaufgaben zu erfüllen.

 

In der frühkindlichen Entwicklung steht die Entwicklung eines Urvertrauens im Vordergrund. Darauf bauen im gesamten Leben der Person ihre Fähigkeiten auf, Beziehungen einzugehen und aufrecht zu erhalten. Des Weiteren entwickelt das Kind in seinen ersten Lebensjahren seine kognitiven Fähigkeiten, Motorik und Sprache, wie erste soziale Kompetenzen.  Man lernt, wie man sich Anderen gegenüber verhält, erste Freundschaften werden geknüpft und erste Hierarchien werden kennengelernt (z.B. in der Kita haben die Erzieher*innen das Sagen). Diese ersten sozialen Kompetenzen werden im weiteren Kindes- und Jugendalter ausgebaut. In der Jugendphase geht es dann vor allem darum, sich langsam von den Eltern zu lösen, eine eigene stabile Identität zu entwickeln und selbstständig zu werden. Dies zeigt sich in den ersten Partnerschaften, den ersten Berufserfahrungen und dem angestrebten Lebensstil – einschließlich des eigenen Normen- und Wertesystems.

Diese erworbenen Fähigkeiten, Ansichten und Handlungsmuster werden dann wiederum im Erwachsenenalter weiterentwickelt und ausgebaut. In dieser Lebensphase muss das Individuum für sich und seine potentielle Familie sorgen können sowie im politischen Geschehen partizipieren.

Das Entwicklungsmodell von Hurrelmann beschreibt einen Rahmen für die kindliche Entwicklung. Schon die Reformpädagog*innen wie Maria Montessori haben darauf hingewiesen, dass solche Rahmen von Kindern sehr unterschiedlich gefüllt werden und sie alle einen ‚eigenen Bauplan‘ haben. Kindliche Entwicklung ist also stark vom genetischen Erbe des Kindes und von der Umwelt des Kindes und seinen Erfahrungen abhängig – Entwicklung läuft niemals gleichförmig ab. Jeder Mensch ist individuell und unterschiedlich, weshalb die Zeitangaben der Entwicklungsmodelle eher als Richtlinie, und weniger als feste Vorgabe gesehen werden sollten. Nur, weil die Entwicklungsaufgaben bestimmten Phasen zugeordnet sind, heißt dies nicht, dass die Entwicklung auch immer genau nach diesem Muster verläuft.

Neben der Herausforderung des Individuums, sich zu entwickeln, besteht auch eine Herausforderung für die Erziehenden. Es stellt sich die Frage, wie das Kind oder der/die Jugendliche in seiner/ihrer Entwicklung zu unterstützen und zu fördern ist.

2. Unterschiedliche fachliche Argumente / Bedenken

Als Elternteil und als Fachkraft wünscht man sich, dass das Kind sich normal entwickelt, also alle Phasen der Entwicklung zur richtigen Zeit und ohne Schwierigkeiten durchläuft. Dazu möchte man selbst natürlich beitragen. Dabei stellt sich jedoch die Frage, wie dies zu bewerkstelligen ist. Entwickelt sich das Kind von alleine, da es in seiner Natur liegt – wie es auch in der Tierwelt der Fall ist – oder sollte man es anleiten oder gar kontrollieren? Zwischen hilfreicher Kontrolle und kontrollierter Hilfe liegt nur ein schmaler Grat. Gerade Fachkräfte diagnostizieren bei Kindern häufig ‚Störungen‘ in der kindlichen Entwicklung. Dies ist eine Spezialität der Psychologie, aber auch in der Sozialen Arbeit werden solche darüber im Klaren sein, dass ein Kind oder ein(e) Jugendliche(r) auch in diesem Alter über das Modelllernen noch immer von den Erwachsenen viele Werte und Normen vermittelt bekommt.

3. Fragen zum Weiterdenken

  • Viele Kinder in Tages- und Wohngruppen haben Entwicklungsaufgaben des Kindesalters nicht angemessen bewältigen können. In welcher Weise halten Sie die nachholende Bearbeitung solcher Aufgaben in der Gruppe und der Familie für sinnvoll und möglich? Welche Beispiele fallen Ihnen ein?

  •  Die Entwicklungspsychologie (z.B. Piaget) geht häufig davon aus, dass Entwicklung in Stufen geschieht und keine Stufe übersprungen werden kann. Was entgegnen Sie solchen Ansichten?

  •  Kinder wollen wachsen, neues ausprobieren und sich entwickeln. Nicht immer wollen die Erwachsenen das auch und sie agieren zu stark behütend oder begrenzend. Was hilft gegen zu viel Vorsicht, Aufsicht und ‚Kleinhalten‘ auf Seiten der Erwachsenen?

4. Material/ Links

Links zu weiteren Karten:

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