Straftaten
1. Beschreibung der Herausforderung
Delinquentes Verhalten ist in der Entwicklung von Jugendlichen ein überwiegend episodenhaftes Phänomen, dessen Ursachen unter anderem in Störungen des Sozialisationsprozesses liegen und das durch geschlechtsspezifische Unterschiede gekennzeichnet ist. Die Straftaten von Kindern und Jugendlichen sind überwiegend Bagatelldelikte. Häufige Delikte sind Diebstähle, Schwarzfahren, Sachbeschädigung, einfache Körperverletzung und kleinere Drogendelikte. Die Straftaten werden oft als Mutproben mit einer ausgeprägten Gruppenorientierung ausgeführt.
Im Bereich der normalen und episodenhaften Jugenddelinquenz fehlt die Legitimation für besondere staatliche, gar strafrechtliche Intervention. Sanktionen bei jugend-typischer Normaldelinquenz verletzen grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien. Auf der anderen Seite benötigt jede Gruppe, die durch Indikatoren sozialer Benachteiligung charakterisiert ist, besondere Aufmerksamkeit in der Jugendhilfe. Daher sollten statt strafrechtlicher Maßnahme mithilfe von den Kooperationspartnern Jugendamt, Polizei und Schule, erzieherische Maßnahmen ergriffen werden.
2. Unterschiedliche fachliche Argumente und theoretische Perspektiven
Egal, welche Gedanken in den Vordergrund treten – Sie sollten nicht allein über den Umgang mit Straftaten nachdenken, sondern Ihre Kooperations- und Netzwerkpartner*innen einbeziehen.
Netzwerkpartner Jugendamt:
Aus der Sicht des Jugendamtes ist daran zu denken, dass jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer selbstbestimmt und eigenverantwortlich handelnden, sozial kompetenten Persönlichkeit hat. Deshalb bietet das Jugendamt – wie auch spezialisierte Beratungsstellen in freier Trägerschaft – den mit Straftaten auffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien Beratung und erforderliche Hilfen an, um von den Kindern und Jugendlichen Gefährdungen abzuwenden. Wenn Eltern und Fachkräfte aus Tages- und Wohngruppen also unsicher sind, was sie tun sollen, können sie sich jederzeit an das Jugendamt wenden.
Netzwerkpartner Schule:
Auch die Schule zielt in der Begleitung der Schüler*innen nicht nur auf formale Bildung ab, sondern ist aufgefordert, auf die Entwicklung einer selbst- und sozialverantwortlichen Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen hinzuwirken.
Themen der Kriminalprävention, insbesondere zur Vermeidung von Gewalt, Diskriminierung, politisch motivierten Straftaten sowie Drogenkonsum beziehungsweise Erläuterungen des Betäubungsmittelrechts und Cybercrime, sind in der Schule zu behandeln; insbesondere dann, wenn der Ausgangspunkt in schulischen Kontexten zu suchen ist. Neben der Schulsozialarbeit können an der Schule auch Angebote von Polizei, Jugendamt, Schulpsychologie sowie Einrichtungen der Sucht- und Drogenhilfe und allgemeinen Beratungsstellen unterbreitet werden.
Netzwerkpartner Polizei:
Tagesgruppen und Wohngruppen der Jugendhilfe können sich ebenso wie Eltern auch direkt an die Polizei wenden, wenn sie denken, dass ihre Kinder Straftaten begehen und sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Die Polizei unterbreitet ebenfalls Angebote der Prävention, denkt aber auch an den Opferschutz und die Vermittlung von Opferhilfe, ebenso wie Maßnahmen der Strafverfolgung bei strafmündigen Kindern und Jugendlichen. Vorrangiges Ziel ist auch bei der Polizei, Kriminalitätsgefährdungen frühzeitig zu erkennen und die Verfestigung von Kriminalität zu verhindern. Hierzu arbeitet die Polizei insbesondere mit Schulen, Jugendämtern, Trägern der freien Jugendhilfe, Ordnungsbehörden und Justizbehörden eng zusammen.
3. Fragen zum Weiterdenken
- Wenn Jugendliche straffällig werden, gehen Eltern und Fachkräfte aus Tages- und Wohngruppen viele Gedanken durch den Kopf. Sie fragen sich, wie das nun kommen kann, was sie falsch gemacht haben und was sie tun sollen. Wir schlagen vor, dass in Teams und in der Zusammenarbeit mit Eltern der Blick zunächst nicht auf das Kind als Täter*in gerichtet wird, sondern zunächst das Verstehen der Situation und Lebenslage im Vordergrund stehen sollte. So könnten Sie sich fragen: Wie kam es wohl zur Straftat? Was war der Auslöser, was die Motivation und welche Gedanken/Gefühle spielten eine Rolle?
- Die zweite Frage, die man sich gemeinsam stellen kann lautet: Was können wir jetzt tun? Wer hat jetzt einen guten Zugang zu dem Kind, um es auf die (vermeintliche) Straftat anzusprechen? Und wie wollen wir als Team der Erwachsenen (inkl. der Eltern) reagieren?
- Bei Straftaten fragen wir uns auch, wie es den Opfern geht (wenn es welche gibt). Was denken Sie, wie man das Kind / den Jugendlichen für diese Perspektive sensibilisieren kann?
- Ergänzend kann es hilfreich sein, im Team zusammenzutragen, wie in der Vergangenheit in ähnlichen Situationen erfolgreich gehandelt wurde. Was haben wir getan? Mit welchen Kooperationspartnern haben wir zusammengearbeitet, als ein Kind/ Jugendlicher straffällig geworden ist? Wie konnten wir weitere Straftaten verhindern?
4. Lösungsvorschläge
Nehmen Sie sich Zeit für das Kind / den Jugendlichen und versuchen so genau wie möglich herauszufinden, was passiert ist. Zu klären ist auch, ob eine Anzeige erstattet wurde und bereits ein Ermittlungsverfahren geführt wird.
Die vertrauensvolle und kontinuierliche Zusammenarbeit der Eltern und der mit Kindern und Jugendlichen befassten Institutionen und Einrichtungen ist wesentliche Voraussetzung für wirksame Präventions- und Interventionsmaßnahmen und ggf. auch für angemessene Maßnahmen im Rahmen von Strafverfahren.
5. Material/ Links
Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der Jugendkriminalität:
https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_nr=0&ugl_nr=2051&bes_id=41484&val=41484&ver=7&sg=0&aufgehoben=N&menu=1
Wenn Jugendliche straffällig werden… Ein Leitfaden für die Praxis:
https://www.bag-s.de/fileadmin/user_upload/PDF/Jugendbroschuere_fuer_Homepage.pdf