Religion
1. Beschreibung der Herausforderung
Viele Kindergärten, Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen stehen unter kirchlicher Trägerschaft. Daraus kann eine Differenz zwischen der Haltung des Trägers und der Haltung der Sozialarbeiter*innen sowie der Nutzer*innen resultieren. Religionen, vor allem christliche Konfessionen, werden den Kindern und Jugendlichen durch Feiertage und Bräuche, wie zum Beispiel Ostern, St. Nikolaus oder Weihnachten unbewusst nahegebracht. Dabei werden die Feiertage teilweise nicht hinterfragt, sondern einfach übernommen.
Religiöse Bräuche und Feste können einerseits eine kulturelle Bereicherung für die Kinder, Jugendlichen und Eltern sein, andererseits kann dadurch die Objektivität, beziehungsweise die Meinungsbildung der Kinder und Eltern in Bezug auf Religionen beeinträchtigt werden.
Außerdem kann es problematisch werden, wenn Kinder und Jugendliche aus fremden Kulturkreisen, durch die einseitige Veranschaulichung der christlichen Religionen, ausgegrenzt werden. Dringend bedarf es eines Ausbaus von Angeboten der Jugendhilfe in nicht-christlicher oder interreligiöser Trägerschaft. Auch muss erwartet werden, dass christliche Träger Fachkräfte einstellen, die anderen Glaubensgemeinschaften angehören
2. Unterschiedliche fachliche Argumente / Bedenken
Kindern und Jugendlichen Religion zu vermitteln kann positive Effekte wie eine Auseinandersetzung mit Sinn- und Wertfragen, eine ansprechende Freizeitgestaltung und die Weckung von Interessen der Kinder und Jugendlichen haben. Dabei muss aber reflektiert werden, dass Kinder in die Religion von klein auf ein sozialisiert werden, ohne dass sie eine Chance haben, sich selbstständig religiös zu orientieren oder eben auch sich davon zu distanzieren.
Viele Rituale, die mit der Religion begründet werden, wie beispielsweise der Brief an den Weihnachtsmann oder der Osterhase haben gar nicht mehr viel mit dem religiösen Hintergrund an sich zu tun, sondern sie haben sich als gesellschaftliche, von Konsuminteressen überlagerte und geprägte Bräuche etabliert.
Die Allgegenwärtigkeit der christlichen Konfessionen in kirchlichen Einrichtungen kann eine Gefahr der Diskriminierung von nicht christlichen Glaubensgemeinschaften und Atheist*innen mit sich bringen. Andererseits gelingt es einigen Wohn- und Tagesgruppen, wie auch Kitas hervorragend, Kinder mit verschiedenen Religionen in Kontakt zu bringen und den interreligiösen Dialog von klein auf einzuüben. Auch gibt viele Eltern, die nicht-christlichen Konfessionen angehören und bewusst christliche Einrichtungen für ihre Kinder auswählen, weil sie wissen, dass hier auf Religionen und Werteorientierung bewusst eingegangen wird.
3. Fragen zum Weiterdenken
- Wie können Kindern und Jugendlichen religiöse Bräuche so nahegebracht werden, dass sie verstehen können was diese genau bedeuten? Wie können Christkind, Osterhase, Nikolaus und Co. als Hoffnungsträger und Kraftquellen in der pädagogischen Arbeit genutzt werden, ohne zu verkitschten Figuren zu verkommen?
- Wie können in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft, in Wohn- und Tagesgruppen interreligiöse Begegnungen gestaltet und neue Traditionen geschaffen werden?
- Wie können Kinder anderer Konfessionen an religiösen Ritualen gleichberechtigt teilnehmen?
- Wie können wir in unserer Einrichtung Feiertage auf der Höhe der Zeit und ohne Ausgrenzung gestalten? Und wie klären wir fair und überkonfessionell über die Hintergründe auf?
4. Lösungsvorschläge
Um vorzubeugen, dass Kinder in eine religiöse Richtung gedrängt werden oder sich Kinder anderer Glaubensrichtungen ausgeschlossen fühlen, wäre es eine Möglichkeit, schon frühzeitig über verschiedene Religionen aufzuklären. Auch können Feiertage aller Religionen gefeiert werden, die in einer Gruppe vertreten sind.
Außerdem könnte man abwägen ob christliche Rituale wie zum Beispiel Adventskalender, Weihnachtsbäume oder zu St. Nikolaus den Stiefel vor die Tür stellen, angemessen sind, sofern Kinder aus Familien mit anderen Glaubensrichtungen in der Gruppe sind.