Positive und negative Verstärkung

Die erzieherischen Maßnahmen der positiven und negativen Verstärkung basieren auf dem Prinzip der Operanten Konditionierung nach Thorndike und Skinner. Insbesondere Skinner entwickelte es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunächst auf der Basis von Lernexperimenten mit Ratten und Tauben. Das Operante Konditionieren ist eine verhaltenspsychologische Vorgehensweise, die maßgeblich die Lerntheorie des Behaviorismus ausmacht.

1. Ziele der Methode

Positive und negative Verstärkung haben zum Ziel, dass ein bestimmtes Verhalten erlernt beziehungsweise die Häufigkeit des Auftretens erhöht oder verringert wird. Ziel ist die Verringerung und letztlich sogar weitgehende Abschaffung von Konflikten durch Technologien der Verhaltenssteuerung. Skinner hat seine Vision eines befriedeten Zusammenlebens in dem Roman ‚Walden Two‘ ausführlich geschildert.

2. So geht das

Bei positiver Verstärkung wird dem Kind/Jugendlichen immer wenn ein gewünschtes Verhalten gezeigt wird ein Lob oder eine Belohnung (Spielzeug, Süßigkeit, Aufmerksamkeit…) gegeben. Bei negativer Verstärkung wird das gewünschte Verhalten durch das Ausbleiben eines unangenehmen Reizes wahrscheinlicher gemacht. So dürfen Kinder z.B. nur dann am Nachmittag auf einen Ausflug mitgehen, wenn sie zuvor ihre Hausaufgaben erledigt haben.

Soll positive Verstärkung angewendet werden, wird besonders in Gruppenkontexten mit Verstärkerplänen gearbeitet. Hierzu wird ein Plan erstellt, auf dem beispielweise alle Tage eines Monats stehen. An jedem Tag, an dem sich ein Kind regelkonform verhalten hat, wird ein Stempel verteilt. Bei einer gewissen Anzahl von Stempeln darf sich das Kind eine Belohnung aussuchen.

In Bezug auf die Verstärkerpläne ist wichtig zu sagen, dass die Bedingungen vorher mit den Kindern und Jugendlichen gemeinsam ausgehandelt und in einem Vertrag festgehalten werden sollten.

3. Beispiel

4. Fragen, Anpassungsmöglichkeiten und Kritik

Kinder und Jugendliche müssen in den Hilfen zur Erziehung, der Schule, der Familie und in allen anderen Bereichen ihres Lebens Regeln lernen. Sie sollten aber nicht nur die Regeln der Gesellschaft auswendig lernen müssen, sondern den Sinn dieser verstehen oder auch Regeln kritisch betrachten und diskutieren dürfen. Konflikte aufgrund von Regelverletzungen sind als normal anzusehen und müssen vor allem von Fachkräften, aber auch von Eltern, Lehrern etc. immer wieder ausgehandelt werden. 

Der Einsatz von Verstärkerplänen in Gruppen hat eine kompetitive Komponente. Es entsteht ein Wettbewerb um erwünschtes und angepasstes Verhalten – das macht seinen Reiz aus, ist aber auch problematisch. Da die Kinder nicht rund um die Uhr beobachtet werden können und alle Beobachtenden unterschiedliche Einschätzungen haben, ob ein Verhalten als belohnenswert bewertet werden kann, ergibt sich zudem ein Gerechtigkeitsproblem. Auch zieht die permanente, auf ein Kriterium ausgerichtete Beobachtung der Kinder sehr viel Kraft und verringert die Möglichkeiten offener Aufmerksamkeit für Stimmungen und Geschehnisse in der Gruppe.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf ungewünschten Nebenwirkungen der Operanten Konditionierung. Wird ein Kind oder Jugendliche/r für eine gute Note in der Schule belohnt, kann es dazu kommen, dass sich die Motivation verschiebt. Das Kind oder die/der Jugendliche versucht daraufhin möglicherweise eine gute Note zu bekommen, um eine Belohnung zu erhalten, was dann als extrinsische (von außen kommende) Motivation bezeichnet wird. Damit die Motivation auch ohne Belohnung anhält, könnte es sinnvoller sein, die intrinsische (von innen kommende) Motivation, also das Interesse an guten Leistungen und Wissenserwerb zu fördern. Operantes Konditionieren kann dazu beitragen, dass junge Menschen das Interesse an den Inhalten des Unterrichts völlig verlieren und nur noch nach Strategien suchen, gute Noten zu erhalten.

Verstärkung ist eine Methode, die eine schnelle und einfache Lösung für das Erlernen oder Unterlassen eines Verhaltens darstellt. Dabei kann es beispielsweise aus Bequemlichkeitsgründen passieren, dass der Aushandlungsprozess ausgeblendet wird und die Kinder und Jugendliche „trainiert“ werden, einer gesellschaftlichen Norm zu entsprechen. Deswegen muss die Methode, falls sie zum Einsatz kommt, regelmäßig auch mit den Kindern und Jugendlichen besprochen und reflektiert werden.

In Bezug auf Belohnungen ist es wichtig, zu erwähnen, dass der Effekt einer Belohnung mit der Zeit nachlässt, wenn sie nicht erhöht wird, da sich eine Erwartungshaltung gegenüber der Belohnung entwickelt. Irgendwann wird sie demnach nicht mehr als etwas Besonderes wahrgenommen.

Wenn Sie in Familien sowie Tages- oder Wohngruppen Methoden der positiven oder negative Verstärkung einsetzen möchten, sollten Sie die o.g. Nebenwirkungen und Gefahren bedenken. Dennoch kann es gelegentlich, zeitlich befristet und kontinuierlich kritisch reflektierend angezeigt sein, mit Verstärkung zu arbeiten. In diesen Fällen könnten Sie zuvor folgende Fragen im Team oder mit den Eltern beantworten:

Warum denken Sie, dass ein konkretes Thema bzw. ein Problem mit Verstärkermodellen bearbeitet werden kann? Warum würden Sie aber auch davon absehen?

Haben Sie einmal darauf geachtet, wann ein Verstärkerplan seinen Reiz und seine Wirkung verliert? 

Wie könnte anstelle der Verhaltensanpassung durch das Operante Konditionieren die intrinsische Motivation von Kindern und Jugendlichen bei einem Verhaltensproblem gestärkt werden?

5. Material / Links

Martina Hehn-Oldiges, Britta Ostermann (2020): Ampeln und andere Ermahnungssysteme – problematische Strategien zur Erziehung

Natho; Frank (2015): Erziehungsmythen: Konsequenz, Belohnung und Strafe

Links zu weiteren Karten

Print Friendly, PDF & Email

Schreibe einen Kommentar