Kognitive Lerntheorie/ Lernen durch Einsicht
Die Kognitive Lerntheorie (auch ‚Lernen durch Einsicht‘) wurde von Wolfgang Köhler, Max Wertheimer und Kurt Koffka entwickelt. Sie gelten zugleich als Begründer der Gestaltpsychologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Lernen durch Einsicht meint die Aneignung oder Umstrukturierung von Wissen mithilfe der kognitiven Fähigkeiten. Einsicht bedeutet in diesem Fall, einen Sachverhalt sowie den Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu erkennen und zu verstehen.
1. Ziele
Lernen durch Einsicht setzt kognitive Fähigkeiten (Wahrnehmung, Vorstellung) des Individuums voraus. Es beschreibt den sprunghaften, direkten Übergang von der (Neu-)Wahrnehmung eines Problems in den Lösungszustand. Die zur Verfügung stehenden kognitiven Fähigkeiten verhelfen dem Individuum dazu, Sachverhalte zu erfassen, einzuordnen und zu Problemlösungen zu gelangen. Das Lernen durch Einsicht führt dabei nicht nur in einem einzelnen Sachverhalt zu einer angemessenen Lösung, sondern liefert dem Individuum neue dauerhafte Handlungsstrategien, worauf zurückgegriffen werden kann.
2. So geht das
Es gibt sechs Phasen des Lernens durch Einsicht:
Phase 1: Auftauchen eines Problems: Zunächst tritt ein Problem in Erscheinung, das eine gewisse Spannung zur Folge hat.
Beispiel: Anna soll eine mathematische Aufgabe lösen.
Phase 2: Probierverhalten: Auf der Suche nach einer geeigneten Lösung zeigt die betreffende Person ein Probierverhalten und führt dabei bislang bewährte Handlungsmuster aus.
Beispiel: Anna probiert bekannte Rechenwege aus.
Phase 3: Umstrukturierung: Das Problem wird denkend neu erfasst und kognitiv umstrukturiert. Der Versuch das Problem zu lösen und auch möglicher Irrtum werden in Gedanken durchgespielt.
Beispiel: Anna bittet die Lehrkraft, ihr die Aufgabe noch einmal zu erklären.
Phase 4: Einsicht und Lösung: Die einzelnen Gedanken fügen sich plötzlich zu einem sinnvollen Ganzen zusammen, ein sogenanntes „Aha- Erlebnis“. Es kommt zur Einsicht und die Lösung für das Problem ist gefunden.
Beispiel: Bei der Erklärung der Aufgabe setzt bei Anna ein Aha- Erlebnis ein und sie weiß, wie sie die Aufgabe zu lösen hat.
Phase 5: Anwendung: Der Handlungsprozess setzt unverzüglich ein. Stellt sich tatsächlich der gewünschte Erfolg ein, wird die neue Handlungsstrategie abgespeichert.
Beispiel: Anna wendet ihr Aha- Erlebnis auf die Aufgabe an und löst sie.
Phase 6: Übertragung: Durch einen Lerntransfer wird dem Individuum ermöglicht, die neue Lösung auf andere Bereiche zu übertragen.
Beispiel: Anna kann den neu erlernten Rechenweg in verschiedenen Teilen auf andere mathematische Aufgaben anwenden.
3. Beispiel
Phase 1: Auftauchen eines Problems: Karin lebt seit einer Woche in einer Wohngruppe. Die Strukturen geben vor, dass sie einmal in der Woche Küchendienst hat. Der Dienst beinhaltet auch, die Spülmaschine anzustellen, was zu einem Problem führt, denn Karin weiß nicht wie eine Spülmaschine funktioniert.
Phase 2: Probierverhalten: Karin probiert einige Funktionen aus, um die Spülmaschine anzustellen.
Phase 3: Umstrukturierung: Anschließend stellt sie fest, dass sie nicht weiterkommt und Hilfe benötigt. Deshalb ruft sie nach einer Fachkraft, welche ihr erklärt, wie eine Spülmaschine funktioniert.
Phase 4: Einsicht und Lösung: Nach der ausführlichen Erklärung setzt bei Karin ein Aha-Erlebnis ein, weshalb sie glaubt, nun die Spülmaschine selbst einstellen und starten zu können.
Phase 5: Anwendung: Danach prüft Karin die unterschiedlichen Einstellungen der Spülmaschine, wählt ein Programm und stellt die Maschine erfolgreich an.
Phase 6: Übertragung: Nachdem Karin ein Erfolgserlebnis erzielt hat, kann sie dieses Wissen nun auch auf andere Maschinen übertragen oder als Ressource für andere Mitbewohner*innen nutzen.
4. Fragen, Anpassungsmöglichkeiten und Kritik
Die ‚Entdecker‘ des Prinzips ‚Lernen durch Einsicht‘ haben auf der Basis ihrer Erfahrungen die Gestaltpsychologie ausgearbeitet, die Menschen dazu anleiten möchte, neue, ganzheitliche Wahrnehmungen zu machen und so neue Lösungen für bekannte Probleme zu entdecken. Allerdings folgen viele Beispiele des „Prinzips Lernen durch Einsicht“ nicht wirklich dieser Idee einer neuen Wahrnehmung. Häufig basiert die Lösungssuche doch wieder auf ‚Versuch und Irrtum‘. Bitte überlegen Sie doch einmal, wie Sie bei einer konkreten Lernherausforderung, vor der ein Kind steht, dem Kind Hilfe geben können, durch eine Variation der Wahrnehmung des Problems selbständig auf neue Lösungen zu kommen.
Das Modell des Lernens durch Einsicht ist stark auf kognitive Lernprozesse fokussiert. Wird dabei nicht unterschätzt, dass Lernen und Lernfähigkeiten meistens darüber hinaus gehen? Kann es sein, dass selbst bei ‚Sachfragen‘ auch emotionale Blockaden das Lernen erschweren und emotionale Gelassenheit Lernen erleichtert? Sollte das bei der Lernförderung nicht immer mitbedacht werden?
Wie könnte Lernen durch Einsicht gefördert und im erzieherischen Alltag umgesetzt werden?
5. Material/ Links
Auf der Videoplattform YouTube gibt es eine Filmreihe mit Experimenten, wie Wolfgang Köhler sie damals durchgeführt hat, von Lernen durch Einsicht bei Schimpansen.
https://www.youtube.com/watch?v=CveGQubIryQ
https://www.youtube.com/watch?app=desktop&v=FcBGAWNCipI
Ein Beispiel mit Menschen:
Hilfreich zusammengefasst. Danke dafür. Könnte ich für eine korrekte Zitation noch das Erscheinungsjahr, sowie den Autor oder die Autorin erfahren :). Wäre für meine Thesis sehr bereichernd.