Kinder in Krisen

1. Beschreibung der Herausforderung

Wenn Kinder in Krisen geraten, entstehen für sie schnell existenziell bedeutsame Situationen, die auch für die anderen Kinder und die Fachkräfte in Wohn- und Tagesgruppen zu erheblichen Belastungen führen. Krisen ergeben sich z.B. durch äußere Anlässe (z.B. Unfälle und Katastrophen, Trennung der Eltern, Verlust geliebter Menschen oder Tiere, traumatische Erfahrungen) oder innere Prozesse (z.B. psychische Krisen, Erkrankungen).

Krisen brechen meistens unvorhergesehen über eines oder mehrere Kinder herein und sie können auch die ganze Wohn- oder Tagesgruppe betreffen, z.B. bei Verlust eines geliebten Gruppenmitglieds, bei Bedrohung der Einrichtung durch Schließung etc.. Krisen können zwar manchmal kurzfristig eingedämmt und beruhigt werden, müssen in Wohn- und Tagesgruppen aber unbedingt gründlich aufgegriffen und bearbeitet werden, auch wenn sie den Alltag der Gruppe extrem durcheinander bringen.

Wenn Kinder in Krisen geraten, ist es sehr wichtig auf die individuellen Bedürfnisse einzugehen und die jeweilige Gefühlslage mit in Betracht zu ziehen. Man muss dem Kind die Zeit geben, die es braucht, um mit der Situation klarzukommen und die erlebte Situation zu verarbeiten. Trauer ist ein Prozess, der bei jedem sehr individuell sein kann. Bei Kindern kann sich die Trauer nochmal ein wenig anders äußern als bei Erwachsenen. Bei dem Prozess der Trauer ist es allgemein sehr wichtig für das Kind da zu sein.

2. Unterschiedliche fachliche Argumente/ Bedenken

In einer Krise verliert ein Kind sein seelisches Gleichgewicht, da es mit Ereignissen und Lebensumständen konfrontiert wird, die es im Augenblick nicht bewältigen kann. In der akuten Krise kann es zu zielloser Aufruhr aber auch zu Lähmung und anderen ungeahnten Verhaltensformen kommen. Krisen benötigen oft zunächst ein besonderes, vom Alltag abweichendes Handeln, z.B. in der Form von Krisenintervention, bei der auch Unterstützung von außen willkommen ist.

Da Krisensituationen ganz individuell sind, kann es auch sein, dass das Kind Zeit braucht, sich zu öffnen und sich Ihnen anzuvertrauen. Daher ist es ausschlaggebend das Sie dem Kind den Raum und Zeit schenken, die es braucht. Hierbei ist es sehr wichtig, eine gefestigte Beziehung aufzubauen, um den Bewältigungsprozess des Kindes besser begleiten zu können. So, dass das Kind Emotionen zulassen kann. Und Sie als Fachkraft einen besseren Zugang zum Kind bekommen, um ganz individuell auf die Bedürfnisse des Kindes eingehen zu können.

Manchmal kann es sinnvoll sein, das Umfeld mit einzubeziehen. Das kann auch abhängig davon sein, in welcher Krise sich das Kind befindet und welche Personen oder Institutionen, involviert sind. Da Krisen immer individuell und unplanbar sind, sollte jede Situation individuell betrachtet werden.

In Krisen neigen Erwachsene oft dazu, die Kinder als mitdenkende und handelnde Akteure aus dem Blick zu verlieren. Dabei kommt es gerade in Krisen darauf an, die betroffenen Kinder, aber auch die anderen Kinder, an der Reflexion und Bewältigung der Krise zu beteiligen.

Wenn Fachkräfte selbst mit der Situation zu stark emotional belastet sind, sollten sie sich als Fachkraft an weitere Mitarbeiter*innen wenden, um sich auszutauschen und die Situation ggf. zu reflektieren. Wenn es zu der Situation kommt, dass Sie als Fachkraft in der Wohngruppe an Ihre Grenzen stoßen und keine Perspektive finden, um mit der Krise umgehen zu können, sollten Sie auf jeden Fall erst nochmal das Gespräch im Team suchen und sich gemeinsam besprechen auch wie die Einschätzung der anderen MitarbeiterInnen ist und dann in der nächsten Instanz sich an Ihre Vorgesetzten wenden und gemeinsam eine Lösung zu finden , wo es am Ende allen mit gut geht, sei es dem Kind in der Krisensituation aber auch den anderen Kindern und den Fachkräften mit Ihrer Arbeit.

Zur Unterstützung der Fachkräfte kann das Team bzw. die Einrichtung Notfallpläne entwerfen, in denen hinreiche Kontakte zur Unterstützung und unbürokratische Vorgehensweisen festgehalten sind.

3. Fragen zum Weiterdenken

  • Was brauche ich als Teammitglied, um in einer Krise ruhig und handlungsfähig zu bleiben? Wie können wir Vorsorge für die Bewältigung von Krisen treffen? Haben wir einen Notfallplan und ist der ausreichend hilfreich?
  • An welche Krise kann ich mich erinnern? Was ging in dem Kind bzw. den Kindern vor? Wie erlebten die Kinder die Situation? Wie habe ich sie als Fachkraft wahrgenommen? Was lief gut und was hätte anders laufen können?
  • Was können wir als Wohn- und Tagesgruppen tun, wenn wir durch Krisen an den Rand unserer Kräfte geraten: wie können wir handeln, ohne die betroffenen Kinder rauszuwerfen?

4. Lösungsvorschläge

In einer akuten Krise ist es oft am Wichtigsten, präsent zu bleiben, nicht durchzudrehen und das Kind und die Situation nicht weiter eskalieren zu lassen. Man sollte sich nicht scheuen, Hilfe zu holen, sowohl bei Kolleg*innen und anderen Diensten als auch bei Not- und Kriseneinrichtungen (medizinische Notdienste, Feuerwehr, Polizei, …).

In der akuten Krise geht es um die Annahme des Kindes, danach um die Aktivierung von Bewältigungsstrategien und das Finden einer Balance zwischen Aushalten und Bearbeiten der Krisensituation. Das Bearbeiten der Krisensituation erfordert die Einbeziehung des ganzen Teams und oft auch weiterer spezialisierter Fachkräfte.

Bei dem Dichter Hölderlin heißt es „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Insofern ist es auch wichtig, das Positive in bzw. an einer Krise gemeinsam zu suchen, zu sehen und aufzugreifen. Krisen machen oft neue Entwicklungen möglich.

5. Material/ Links

Claudius Stein: Spannungsfelder der Krisenintervention. Kohlhammer-Verlag 2020

https://shop.verlagsgruppe-patmos.de/media/pdf/978-3-8436-0792-6.pdf
Kinder in der Trauer Verstehen, trösten und ermutigen ISBN: 978-3-451-60086-9

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