Beteiligung im Gruppengespräch – Methoden zur Gestaltung des Gruppenrats

1. Ziele

Bei der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen geht es darum, die Umsetzung ihrer Rechte und Interessen zu erleichtern. Durch den Gruppenrat in einer Tages- oder Wohngruppe können die Kinder und Jugendlichen an Entscheidungen mitwirken und deren Ausgang mit beeinflussen. In den Kinderrechten wird das Recht auf Partizipation festgeschrieben. Hiernach sollen Kinder und Jugendliche entsprechend ihrem Entwicklungstand an allen sie betreffenden Entscheidungen beteiligt werden. Wichtig ist, dass die Beteiligung für die Kinder und Jugendlichen tatsächlich möglich ist. Dazu müssen die Fachkräfte einen geeigneten Rahmen schaffen, in dem sich Kinder und Jugendliche gerne und leicht beteiligen können. Die Beteiligungsformen sollten sehr vielfältig sein und die Auswahl der jeweils geeigneten Beteiligungsform ist besonders wichtig für den Erfolg einer Gruppenratssitzung.

Bislang haben Kinder häufig kein Interesse an einem Gruppenrat. Sie fürchten durch das Einbringen von Missständen oder eigenen Meinungen im Mittelpunkt zu stehen und lange Gespräche auszulösen, in denen die Erwachsenen den Ton angeben. Ohnehin haben die Kinder und Jugendlichen eigene – nicht immer demokratische – Strategien, um ihre Probleme untereinander zu lösen. Deswegen sehen manche Teilnehmer*innen den Gruppenrat eher als lästige Pflichtveranstaltung anstatt als Partizipationschance. Da die gelingende Gestaltung einer lebendigen und fairen Gruppenratssitzung methodisch sehr schwierig ist, haben  auch die Fachkräfte häufig keine besonders große Motivation, dieses Format regelmäßig zu nutzen und weiterzuentwickeln. Ziel des Aufbaus eines Gruppenrats ist daher, diesen so zu gestalten und zu etablieren, dass die Kinder und Jugendlichen dort gerne zusammenkommen und sich motiviert über wichtige Anliegen austauschen. Der Gruppenrat soll für Kinder und Jugendliche, die ansonsten wenig mit Demokratie anfangen können – und sich z.B. selten in der Schule oder Vereinen für Wahlämter melden – eine positive Erfahrung mit demokratischer Beteiligung und Mitbestimmung ermöglichen.

2. So geht das

Eine Sitzung des Gruppenrates braucht ein schönes Ambiente, Zeit, Ruhe und die Bereitschaft der Fachkräfte zur Öffnung von Entscheidungsprozessen. Nach einer Begrüßung erfolgt die Auswahl der Themen, deren Bearbeitung und eine Abschlussrunde / Fazit.

Am Anfang wird vielleicht etwas gemeinsam gespielt und dann besprochen, wie es allen gerade geht; dies hilft dabei, dass sich die einzelnen Teilnehmenden aufeinander einlassen können. Dann wird kurz der Ablauf des heutigen Gruppenrates erklärt; dabei schlagen die Kinder und die Fachkräfte Themen vor. Außerdem sollte geklärt werden, wer die Ergebnisse des Gespräches festhält und wer die Moderation übernimmt.

Die Aufgabe der Moderation ist, dass sich alle an die Gesprächsregeln halten. Es ist hilfreich, zu Beginn nochmal an die Gesprächsregeln zu erinnern. Darüber hinaus sollte ein fester zeitlicher Rahmen gesetzt sein, dessen Einhaltung die Fachkräfte anstreben. Somit haben alle Teilnehmenden Planungssicherheit und können sich ruhiger beteiligen. Zusätzlich kann jemand als ,,Zeitwächter“ auf die Einhaltung der Zeit achten.

Während der Bearbeitungsphase bespricht die Gruppe die Anliegen in der zuvor vereinbarten Reihenfolge. Die Aufgabe der Kinder und Jugendlichen ist es in dieser Phase, untereinander und mit den Fachkräften über die Themen zu diskutieren, um letztendlich zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.  Kinder haben manchmal von sich aus kaum eine realistische Entscheidungsgrundlage und deswegen ist es die Aufgabe der Fachkräfte, sie angemessen über die Rahmenbedingungen der Fragestellung zu informieren oder ihnen Informationen zukommen zu lassen. Nur so können Kinder und Jugendliche eine Entscheidung mittreffen, die auch umgesetzt werden kann. Diese Aufgabe ist schwierig, weil die Fachkräfte die Informationen möglichst objektiv auswählen und ggf. vorstellen müssen, um die Meinung der Teilnehmenden nicht in eine Richtung zu lenken. Wie viel Information die Fachkräfte geben müssen und welche Art von Entscheidungen den Kindern und Jugendlichen zugetraut werden kann, hängt immer auch vom Alter und den Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen ab.

Bei manchen Entscheidungen der Kinder oder Jugendlichen können die Fachkräfte nicht nachgeben, weil sie sich an Gesetze halten müssen, die diese Entscheidungen nicht erlauben. In diesen Fällen sollte den Teilnehmenden erklärt werden, warum ein Gesetz etwas verbietet und weshalb eine Entscheidung nicht frei getroffen werden kann. Grundsätzlich sollten Themen immer so mit den Kindern und Jugendlichen besprochen werden, dass sie eine reale Gelegenheit bekommen, ihre (verschiedenen) Meinungen darzustellen. Das heißt auch, dass alle nach ihrer Meinung gefragt werden sollten, auch wenn sie sich eventuell in der Diskussion zurückhalten.

Während des Gruppenrats wird es unweigerlich zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Teilnehmenden kommen. Diese sind normal und gehören zu einer Diskussion und Meinungsfindung dazu. Die Moderation und im Zweifel die Fachkräfte sind dafür zuständig, die Meinungsverschiedenheiten nicht zu einem Streit eskalieren zu lassen und auf eine gemeinsame Lösung hinzuwirken. Wenn es doch zu einem heftigen Streit kommt oder jemand so enttäuscht ist, dass er/sie das Gespräch verlässt, sollten die Fachkräfte später mit ihm/ihr besprechen, was vorgefallen ist. In der Bearbeitungsphase können Teilnehmende schnell unruhig oder gelangweilt werden; hier können kleine Pausen helfen, um die Konzentrationsfähigkeit zu erhalten.

In der Phase des Fazits werden die abgesprochenen Ergebnisse oder Vorgehensweisen nochmal für alle zusammengefasst und ggf. ergänzt und Verständnisfragen geklärt. Dann bedanken sich die Fachkräfte bei den Kindern und Jugendlichen für ihre Teilnahme und die Runde wird beendet. Die Ergebnisse der Diskussion werden später für alle Teilnehmer*innen einsehbar gemacht (bspw. am Kühlschrank aufgehängt oder kopiert und verteilt).

Wichtig ist, dass die Fachkräfte wirklich bereit sind, offen über die Themen des Gruppenrats nachzudenken und zu sprechen. Wenn Kinder und Jugendliche nur oberflächlich an Entscheidungen beteiligt werden, können sie schnell frustriert werden.

3. Beispiel

In den letzten Jahren hat die Diakonie ein Modell für die Gestaltung von Gruppengesprächen entwickelt, das in Anlehnung an den Begriff der ‚Just Community‘ von Lawrence Kohlberg den Namen ‚Gerechte Gemeinschaften‘ trägt. Das Modell kann Tages- und Wohngruppen helfen, gemeinsam Lösungen zu finden und Themen anzusprechen, die den Fachkräften oder den Kindern und Jugendlichen wichtig sind. Es wird angestrebt, dass alle Kinder und Jugendlichen und alle Fachkräfte teilnehmen, damit die Runde auch wirklich Entscheidungen treffen kann. Die Moderation wird von einer/einem externen Moderator*in übernommen, damit sich alle aktiv beteiligen können. Außerdem strahlt ein*e externe*r Moderator*in Autorität aus und kann gleichzeitig besonders gut Neutralität bewahren. Damit fair gestritten werden kann, darf niemand überstimmt werden – alle Teilnehmenden haben ein Vetorecht und die Lösungen müssen einstimmig getroffen werden. Wenn nicht alle zustimmen können, muss also weiter nach einer Lösung gesucht werden. Ziel ist die gemeinsame Entscheidung und die gemeinsame Übernahme von Verantwortung für die gefundenen Lösungen.

4. Fragen, Anpassungsmöglichkeiten und Kritik

Am Gruppenrat gibt es viel Kritik. Sie besteht vor allem darin, dass die Teilnahme meistens verpflichtend ist, auch wenn Kinder und Jugendliche kein Interesse an der Teilnahme haben. Die Frage bleibt, was eine Beteiligung überhaupt bringt, wenn Menschen sich gezwungen sehen, zu partizipieren. In der Demokratie ist Partizipation eigentlich immer freiwillig – allerdings sind die Ergebnisse des Gruppenrats bindend auch für diejenigen Kinder und Fachkräfte, die nicht teilgenommen haben.

Zudem steht auch die Haltung der Fachkräfte zu Partizipationsformen wie dem Gruppenrat  in der Kritik. Es kann passieren, dass Fachkräfte sich bereits vor dem Gruppenrat im Team beraten und eine gemeinsame Meinung gebildet haben und die Kinder/Jugendlichen nur noch zum Schein beteiligen. Oder die Entscheidungen des Gruppenrates werden in den Nachbesprechungen des Teams wieder umgestoßen. Dies birgt die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche frustriert werden.

Fragen:

Wie haben wir in unserer Einrichtung bislang den Gruppenrat gestaltet und ist diese Gestaltung attraktiv für die Kinder / Jugendlichen?

Meinungsverschiedenheiten gehören beim Gruppenrat dazu, aber wie kann man sie gewinnbringend nutzen? Diskutieren Sie was sie tun, wenn während des Gruppenrates ein Streit ausbricht.

Im Gruppenrat wird diskutiert und entschieden. Inwiefern sind bei Ihnen die Entscheidungsprozesse wirklich für die Jugendlichen geöffnet? Sind Sie bereit, die Macht und Verantwortung zu teilen?

5. Material / Links

Zum Modell der Gerechten Gemeinschaften gibt es auf der Homepage der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe einen Erklärfilm: (https://www.youtube.com/watch?v=LpySjp4H9rg) und eine ausführliche Arbeitshilfe (https://www.diakonie-rwl.de/sites/default/files/aktuelles/diakonie-gerechte-gemeinschaften-broschuere.pdf)

Links zu weiteren Karten:

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