Andreas Mehringer

„Vertrauen schafft Vertrauen. Wer akzeptiert wird, kann auch andere (und anderes) akzeptieren.“

Mehringer (1911 – 2004), Heilpädagoge und Reformer der deutschen Heimerziehung nach 1945

1. Wichtige Ansätze

Mehringer besuchte als Kind selbst verschiedene katholische Internate, studierte Pädagogik und arbeitete neben seinem Studium in einem Kinderheim. Dort lernte er das damalige Anstaltssystem kennen, welches die Heime für Kinder und Jugendliche bis in die 1970er Jahre prägte. Von 1945 – 1969 leitete er das Münchener Waisenhaus und führte dort erstmalig das Familienprinzip in einem Heim ein.

Wesentliche Elemente der familienorientierten Heimerziehung sind

  • eine überschaubare kleine Zahl an Kindern pro Heim
  • verschiedene Kinder in einer Gruppe (Alter, Geschlecht etc.)
  • eine abgeschlossene Wohnung für jede der kleinen gemischten Gruppen (auch Kinder benötigen ihre eigenen vier Wände)

Neben der Einführung des Familiensystems setzte sich Mehringer auch für eine qualitative Verbesserung der Säuglings- und Kleinkinderheime, sowie für die Qualifizierung der Adoptions- und Pflegestellen ein.

In seinem Buch „Eine kleine Heilpädagogik“ beschreibt Mehringer in sieben Regeln den Umgang mit verhaltensauffälligen Kindern, deren Entwicklung durch individuelle und soziale Faktoren gestört ist. Das Buch richtet sich vor allem an Laien, wie zum Beispiel Adoptiv- oder Pflegeeltern, aber auch an Mitarbeiter*innen von stationären Jugendhilfeeinrichtungen. Im Folgenden werden die ersten vier Regeln kurz erklärt.

Regel 1:

Das Kind in seiner Eigenart wahrnehmen und es so akzeptieren, wie es ist
Das Grundbedürfnis eines jeden Menschen ist es, in seiner Einzigartigkeit wahrgenommen und bedingungslos geliebt zu werden. Das Kind muss immer wieder erfahren, dass es bestätigt und akzeptiert wird und bleibt.

Regel 2:

Ausverwahrlosen-Lassen
Das Kind hat sich das ‚Verwahrlosungs-Symptom‘ als eine Überlebensmöglichkeit angeeignet, welches nicht ohne weiteres abgelegt werden kann. Der/die Erzieher*in muss das Kind dort abholen, wo es sich befindet und dem Kind Vertrauen schenken. Passiv überangepasste Kinder (zum Beispiel Bettnässer*innen) und aktiv unangepasste Kinder brauchen keine Strafen, sondern Zeit, Geduld und liebevolle Zuwendung.

Regel 3:

Dafür sorgen, dass das Kind in der Gruppe angenommen wird
Besonders die schwachen Kinder müssen geschützt werden. Die ganze Gruppe wird durch eine Aussprache miteinbezogen, um das schwache Kind aus der Außenseiterposition heraus zu holen.

Regel 4:

Die bestmögliche Lebensperspektive für das Kind suchen
Kinder, die in Jugendhilfeeinrichtungen aufwachsen, tragen häufig die Unsicherheit mit sich, ob sie wieder zu den Eltern können, oder welche Alternativen sie haben. Ihre Situation muss geklärt werden, um diese zu verstehen. Dabei ist die Wahrheit leichter zu ertragen und gibt den Kindern Sicherheit, obwohl sie oftmals zunächst härter ist.

2. Nachdenken über Erziehung mit Mehringer

„Schau dein Kind an! Begreife die Individualität deines Kindes, toleriere vor allem sein Entwicklungstempo! Schau ruhig und aufmerksam hin und lass das Geschehen auf dich wirken!“

Wie auch schon die erste Regel der kleinen Heilpädagogik beschreibt, benötigt jedes Kind das Gefühl, geliebt zu werden. Besonders durch Anschauen und Anlächeln erfährt es Akzeptanz und das Gefühl wahrgenommen zu werden. Die Eltern oder Bezugspersonen müssen sich dessen bewusst sein, um dieses Gefühl zu vermitteln. Manche Eltern sind nach der Geburt mit ihrer neuen Rolle als Mutter oder Vater erst einmal überfordert und sie wissen nicht, wie sie dem Kind am besten gerecht werden können. Dann hilft es, ihnen bewusst zu machen, dass sie ihrem Kind durch Anschauen und Wahrnehmen Anerkennung vermitteln.

„Die Voraussetzung für das Sich-lösen-können ist diese: zu Beginn des Lebens erfahren zu haben, dass man um seiner selbst willen angenommen worden ist.“

Mehringer schreibt in seinem Buch „Verlassene Kinder“ über seine Erfahrungen mit Heimkindern oder Säuglingen aus früheren Säuglingsunterbringungen. Viele der Säuglinge haben in ihren ersten beiden Lebensjahren keine Liebe und keine Anerkennung durch die Mitarbeitenden der Einrichtungen erfahren. Dieses Versäumnis, vor allem im frühen Kindesalter, ist laut Mehringer nicht mehr aufzuholen und das Urvertrauen der Kinder kann sich nicht entwickeln. Er beschreibt ein „Urmisstrauen“, welches sich bei diesen Kindern entwickelt hätte. Nur wenn Kinder Liebe und Anerkennung in ihrer frühen Kindheit erfahren haben, sei es Ihnen am Ende des zweiten Lebensjahres möglich, sich zu lösen und die Erfahrung zu machen, auf eigenen Beinen zu stehen.

3. Material / Links

Bei Wikipedia gibt es weitere Infos zum Leben von Andreas Mehringer:
https://de.wikipedia.org/wiki/Andreas_Mehringer

Sein Buch „Eine kleine Heilpädagogik“ (Ernst Reinhardt Verlag 2008) liefert ausführlichere Informationen zu seinen aufgestellten Regeln im Umgang mit Kindern.

Links zu weiteren Karten:

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